M. an Caspar Cruciger [in Wittenberg].
- [Zerbst], 2. Januar 1547
[1] Schmerz und Zorn über das allgemeine Unglück und die am Bruderkrieg Schuldigen. Auch C. wird über das Unglück von [Leipzig und Wittenberg] betrübt sein. In Dessau träumte M. neulich, daß Hz. Moritz [von Sachsen] auf seine flehentliche Bitte um Schonung Wittenbergs geantwortet habe, er werde es in Trümmer legen. M. erzählte dies sogleich seinen Zimmergenossen Joachim [Camerarius] und Erasmus [Reinhold]. Gebet um Frieden.
[2] Augustin [Schurff] schickt einen Brief der Universität [Wittenberg] an Gf. Albrecht [von Mansfeld], den C. [als Rektor] siegeln soll. Zeitungen enthält der Brief an Paul [Eber].
Fundort:
CR 6, 339f Nr. 3686.
‒ MBW.T 16.
Datierung:
Der Joachim, der gleichzeitig mit M. in Dessau war, kann nur Camerarius sein, denn jeder andere hätte auch für den Briefempfänger C. einen erklärenden Zusatz nötig gemacht. Der Dessauer Schulmeister Joachim Greff (⇨ 3217), auf den O. Vogt: ThStKr 83 (1910), 379 [H 3089] diese Stelle bezieht, kann auch deshalb nicht gemeint sein, weil von ihm nicht gesagt werden konnte: „ibique ... una“, wo er doch der Gastgeber M.s und des Erasmus [Reinhold] gewesen wäre, der diese beiden in sein Schlafzimmer aufgenommen hätte, was ganz unwahrscheinlich ist. Die drei auswärtigen Gäste, die ja zu politischen Beratungen kamen, haben zweifellos wie am 9. Oktober 1545 (⇨ 4029) und gewiß öfter in einer Stube des Schlosses genächtigt. Nun ist Vogt nicht ohne Grund auf den Dessauer Schulmeister und Dichter verfallen, denn M. und Camerarius haben sich seit mindestens 11. Dezember 1546 nachweislich nicht gesehen (⇨ 4489; ⇨ 4492.2; ⇨ 4495.1; ⇨ 4496.3; ⇨ 4498.2; ⇨ 4500.1; ⇨ 4505.4; ⇨ 4514; ⇨ 4521; ⇨ 4531-4533), wogegen M., der am 12. Dezember eine Einladung nach Dessau ablehnte (4492), danach in der nahegelegenen Stadt gewesen sein konnte, ohne daß wir es wissen. Ein vor dem 11. Dezember erfolgter Besuch scheint mit ‚nuper‛ unvereinbar. Er muß aber doch länger zurückliegen, denn M.s Traum bezieht sich auf die Bedrohung Wittenbergs durch Hz. Moritz; Gefahr für Leipzig war damals noch nicht erkennbar. Beide Situationen werden von M. mit ‚tunc‛ und ‚nunc‛ unterschieden. Nach M.s Flucht aus Wittenberg (⇨ 4447) suchte ihn Camerarius am 17. 11. 1546 auf (⇨ 4450f). Danach läßt sich keine Begegnung mit Sicherheit nachweisen. Am 23. November war M. in Dessau (⇨ 4458-4461). Camerarius schrieb am 22. an Georg von Anhalt, er werde möglicherweise nach Dessau kommen (⇨ bei 4451, bes. Krause S. 108), widerrief dies aber noch am gleichen Tag und schlug dem Fürsten im Auftrag Georg von Komerstadts eine Zusammenkunft in Merseburg vor, wohin er am 23. kommen wollte (Krause 108f Nr. 25). Demgemäß schrieb M. am 23. an C. einen Brief (4458). Sollte Camerarius dennoch nach Dessau gekommen sein, so könnte die gemeinsame Übernachtung nur vom 23. zum 24. stattgefunden haben, denn am 25. reiste M. nach Erledigung seiner Post (4463-4467) von Zerbst nach Magdeburg (bei ⇨ 4468) und kehrte erst am 6. Dezember nach Zerbst zurück (4487), wo er am 7. und 8. Briefe schreibt (4487f). Am 11. schreibt er an Camerarius in einer Weise, die nicht auf eine längere Unterbrechung des Gedankenaustauschs schließen läßt (4489, bes. § 1 und § 4). Möglicherweise waren sie vom 8. auf 9. Dezember zusammen in Dessau. Es wären dabei allerdings wichtige Dinge nicht besprochen worden, die M. später erklären mußte (4498.4). Ohne Beweiskraft ist der von Krause (Melanthoniana 29 Nr. 182 mit 27 Nr. 166) herangezogene Brief MBW 4810, denn er ist nicht am 9. 12. 1546, sondern am 16. 7. 1547 geschrieben. Somit bleiben für M.s Dessauer Traum nur die Nächte 23./24. November und 8./9. Dezember 1546, ohne daß völlige Klarheit gewonnen werden kann.