Matthias Flacius an M. [in Wittenberg]. - Magdeburg, 8. Juni 1549

[1] Gebet. F. ist für unbedingte Offenheit in religiösen Fragen. Er hat in den letzten anderthalb Jahren intensiv mit M. über die kirchliche Lage gesprochen.

[2] F. zählt die schädlichen Folgen der Änderung von Adiaphora auf und beruft sich dafür auf M.s Schrift [5409], auf die Promotionsrede für [Melchior] Isinder [⇨ 5347.2], auf die Vorrede zur [neuen Agende: 5473] und auf M.s Traum [Bds. 549 Anm. 1] vom Fenster (durchgehend apostrophiert) vor der Reise nach Jüterbog [⇨ 5372].

[3] Im Gegensatz zu M. hält F. deren kompromißlose Bekämpfung für notwendig und muß deshalb auch ihn öffentlich angreifen.

[4] Dem Vorwurf der Undankbarkeit steht seine Gewissensbindung entgegen und die Pflicht, den Antichrist zu entlarven.

[5] Gleichnis.

[6] F. wird M. sein Ansehen lassen; aber er wird darlegen müssen, wie M. in den Adiaphorismus hineingezogen wurde (wobei die eitle Hoffnung auf den Tod des [Kaisers], gewonnen aus einer Mondfinsternis von 1547, mitspielte).

[7] F. handelt dabei unter Gewissenszwang.

[8] M.s Leipziger Rede [5386] (Beteiligung des [Georg von Anhalt?]) betrübt F., und zwar nicht, weil er darin angegriffen wird [5386.9.1]. Er könnte zu seiner Verteidigung leicht die Fehler der [Wittenberger], namentlich M.s Brief an [Christoph] von Carlowitz [5139] und Bugenhagens Geschichte [⇨ 4876.2], hochspielen.

[9] F. bedauert M.s Unbußfertigkeit, der doch seine Krätze als Strafe Gottes verstand und der zu ihm, [Caspar] Cruciger und anderen gesagt hatte, niemand könne mit gutem Gewissen an den [Interims]beratungen teilnehmen.

[10] M.s verderbliche, nach Augsburg geschickte Schriften [⇨ 5105; 5110; 5139] führten das Interim herbei und schwächten den Widerstand.

[11] Die Trienter Konzilsbeschlüsse, die F. in Braunschweig [⇨ 4873.2] las, das Augsburger Interim, das Leipziger [5387] und M.s Rede [5386 wie § 8 oder 5389.2] zwingen F. zur Stellungnahme.

[12] F. versichert M. seiner Liebe und ermahnt ihn zur Umkehr.

[13] Politische Argumente dafür.

[14] Mahnung zu Bekennermut.

[15] Weitere Beschwörungen.

[16] Drohende Kirchenspaltung und Ärgernisse.

[17] Des F. Motive.

[18] F. erinnert an M.s Zusagen unter vier Augen, an F.s Ermahnungen vor zwei Zeugen und in seinem Brief an [Fürst Georg] von Anhalt [H 104 Nr. 4] und ohne Namensnennung in seinen Druckschriften.

[19] F. wünscht Eintracht zum Kampf gegen Antichrist und Papsttum.

[20] F. schrieb dies aus Kummer und Haß gegen die gefährlichen Verhandlungen, aber nicht als Feind M.s, dessen Loci er schätzt.

[21] Er bittet um Antwort.

Fundort:
Bds. 548-555 Nr. 560; die Drucke vgl. H *91 und H *104. ‒ MBW.T 19.
Datierung:
Nach F.s Weggang aus Wittenberg (⇨ 5487.2) sagte M. am 8. April 1549 zu Johannes Aurifaber Vratislaviensis, der F.s Hebräisch-Vorlesung übernommen hatte, er solle F. brieflich auffordern, M. nicht zu schmähen, was Aurifaber durch seinen Brief vom 14. 4. 1549 erledigte: ARG 20 (1923), 62-65 bes. 63. Am 12. April publizierte F. seine erste Schrift gegen M. (bei ⇨ 5519).
Nachtrag:
§ 2: Zu M.s Traum auch O. Clemen: Zs. für systematische Theologie 19 (1942), 338f = Kl. Schr. 6 (1985), 562f.

Normdaten
Personen:

Aurifaber Vratislaviensis, Johannes: http://d-nb.info/gnd/130466042

Bugenhagen, Johannes: http://d-nb.info/gnd/118517287

Carlowitz, Christoph von: http://d-nb.info/gnd/128556641

Cruciger, Caspar: http://d-nb.info/gnd/118670646

Flacius, Matthias: http://d-nb.info/gnd/118533649

Georg von Anhalt: http://d-nb.info/gnd/118716891

Isinder, Melchior: http://d-nb.info/gnd/119719606

Karl V., Kaiser: http://d-nb.info/gnd/118560093

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485