M.: Gutachten [an Georg von Komerstadt in Altzella]. Dt. - [Altzella, 31. März] 1548

[1] Das [Interim] hat Ähnlichkeit mit dem Regensburger Buch [⇨ 2705.2.2], enthält aber viele gefährliche zweideutige Formulierungen, nämlich über Absonderung von den Katholiken,

[2] über die Lehrgewalt der Bischöfe, der Kirche und der Konzilien und über Gnade und Glauben, was M. aber toleriert.

[3] Primat des Papstes und bischöfliche Verfassung können bestehen bleiben, wenn der Papst die rechte Lehre vertritt.

[4] Firmung und Ölung sind nicht [heils]notwendig; erstere kann aber angenommen werden.

[5] M. tritt für die Beichte und Privatabsolution ein, lehnt aber den Zwang zur Nennung der heimlichen Sünden ab.

[6] Beim Sakrament der Ehe stehen die Aussagen über Scheidung und Zustimmung der Eltern in Widerspruch zur Praxis der [sächsischen] Konsistorien.

[7] Das Verständnis der Messe als Dankopfer wird gelobt; doch gehört die Frage vor ein Konzil. Privatmessen sind abzulehnen.

[8] Heiligendienst und Seelenmessen kann M. nicht billigen.

[9] Insgesamt lehnt M. das [Interim] ab. Eine Kirchenordnung ist zwar nötig, man muß aber zwischen [Heils]notwendigem und [Adiaphora] scheiden.

Fundort:
CR 6, 839-842 Nr. 4189; Regest: Pol. Korr. Moritz 3 (1978), 764f Nr. 1040. ‒ MBW.T 18.
Datierung:
Datum: Beilage A zu K.s Brief an Kf. Moritz von Sachsen in Augsburg vom frühen Morgen des 2. 4. 1548: Dresden SA, Loc. 10297 Interim Augustanum 1548, f. 60r-63v; Regest: Pol. Korr. Moritz 3 (1978), 769f Nr. 1044; vgl. H. Scheible: ARG 57 (1966), 107-109 [H 4160]. Wie K. dem Kf. berichtet, kam M. am 28. März in Altenburg an und wollte am 29. nach Zwickau weiterreisen. Doch ein reitender Bote K.s erreichte ihn am 29. morgens in Altenburg und leitete ihn nach Altzella um, wo er nach einer Übernachtung in Rochlitz am 30. ankam. Der Grund für M.s Trennung von den Kollegen war ein in Augsburg ausgesprochenes Auslieferungsbegehren des Kaisers wegen belastender Briefe, worauf Kf. Moritz sofort M. in Sicherheit bringen ließ. In Altzella bekam M. von K. das Interim, las es bis 31. morgens und verfaßte das obige Gutachten. GWB (1559) Bl. 91a-b weist darauf hin, daß die Rechtfertigungslehre des Interims nach diesem Gutachten M.s durch Pedro de Malvenda oder Domingo de Soto verfälscht wurde. Von ersterem behauptet dies M. schon im August 1548 (5264.1).

Normdaten
Personen:

Karl V., Kaiser: http://d-nb.info/gnd/118560093

Komerstadt, Georg von: http://d-nb.info/gnd/117737437

Malvenda, Pedro de: http://d-nb.info/gnd/124061532

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485

Moritz von Sachsen: http://d-nb.info/gnd/118584138

Soto, Domingo de: http://d-nb.info/gnd/118798111