Johannes Bugenhagen, Caspar Cruciger, M. und Paul Eber: Gutachten [an Laurentius Moller für den Rat der Stadt Hildesheim]. Dt. - [Wittenberg, 6. Dezember 1547]

[1] Die Frage der bfl. Stifte wurde oft erörtert, z. B. für Bremen und Augsburg. Bremen [⇨ 1308] wurde geraten, Bischof und Domkapitel auf kaiserlichen Befehl in die Stadt zu lassen und ihre Gottesdienste nicht zu behindern, und dies geschah zur Zeit des [Schmalkaldischen] Bundes, als Widerstand möglich gewesen wäre. Auch jetzt wird nicht zum Krieg geraten.

[2] Denn man soll die eigenen Kirchen, wo man das Patronatsrecht hat, recht bestellen und die Abgötterei abschaffen; für die Kirchen unter anderer Obrigkeit ist man nicht verantwortlich.

[3] In vielen Städten, z. B. Erfurt, Worms, Halle, Breslau, St. Gallen, Fulda, gibt es neben den [evangelischen] Pfarrkirchen die [katholischen] Kirchen der Bischöfe und Äbte. Dieses Ärgernis darf nicht mit Gewalt beseitigt werden.

[4] Da in Konstanz, Basel, Straßburg und bei vielen Äbten ähnliche Restitutions[forderungen] zu erwarten sind, soll man, um Zeit zu gewinnen, antworten, man wolle die Ergebnisse des Reichstags abwarten.

[5] Keinesfalls darf man die Pfarrkirchen den Domherren ausliefern (Beispiel Ambrosius).

[6] Eine Stadt darf Bischof und Kanonikern ihre Häuser nicht vorenthalten. Gegen deren Abgöttereien soll aber gepredigt werden, und der Rat kann den Bürgern verbieten, an ‚unrechtem‛ Gottesdienst teilzunehmen.

Fundort:
CR 7, 510f Nr. 4634; H. A. Lüntzel, Die Annahme des evangelischen Glaubens-Bekenntnisses von Seiten der Stadt Hildesheim (1842), 146-148 [H A1769a]; Chronik des Johan Oldecop, hrsg. v. Karl Euling (1891), 265-267. ‒ MBW.T 17.
Datierung:
Datum: Die Abschrift Hildesheim StA, Akten 132/49, von Lüntzel fehlerhaft ediert, ist trotz niederdeutscher Formen offensichtlich von der Ausfertigung genommen, denn diese wird beschrieben als von Crucigers Hand stammend, ausgenommen die Überschrift, die von M. geschrieben sei. Von anderer Hand ist das Jahr 1547 notiert. Oldecop, der den Text niederdeutsch einfärbte, bringt dieses Gutachten ausdrücklich im Jahr 1547. Diese Angabe wird gestützt durch die Namen der Gutachter, unter denen Georg Maior fehlt. Die Annahme liegt nahe, daß es in der Zeit erstellt wurde, als er Stiftssuperintendent in Merseburg war, also zwischen August 1547 und Februar 1548 (RE 12, 86.61-87.3; MBW 4849; 5066). Auch die Formulierung „in diesem Jahr“ (§ 3) weist auf 1547 als das Jahr der Katastrophe des Schmalkaldischen Bundes, wobei wohl nicht das Kalenderjahr gemeint ist, sondern rund ein Jahr zurück. Der Reichstag, dessen Ergebnisse man abwarten solle (§ 4), ist damit der seit 1. September in Augsburg versammelte. Alle diese Indizien weisen auf das letzte Drittel 1547, wobei M. von anscheinend 26. September bis 15. Oktober nicht in Wittenberg war (⇨ 4909; ⇨ 4921). Dies ist die Zeit, als die Stadt Hildesheim, unbesiegtes Glied des besiegten Schmalkaldischen Bundes, um eine neue Politik gegenüber ihrem Bischof bemüht sein mußte (bei ⇨ 4975). Weiterzukämpfen, wovon die Wittenberger Theologen abraten (§ 1), war nicht nur eine theoretische Möglichkeit. Für die genauere Datierung von 4982 ist man auf Hinweise in M.s Briefen an den Hildesheimer Laurentius Moller angewiesen. 4982 mit 5370 gleichzusetzen (so CR), ist aber nicht möglich, denn wegen der Erwähnung der Rekatholisierung von Konstanz ist 5370 keinesfalls vor 6. 12. 1548 geschrieben, und da lebte Cruciger nicht mehr (⇨ 5349). Dagegen spricht manches dafür, daß 4981, zufällig ebenfalls an einem 6. Dezember geschrieben, ins Jahr 1547 gehört. Das hierin erwähnte Gutachten ist also 4982. Offenbar bediente sich der Rat von Hildesheim der Verbindung des Schulrektors zu M., um ein Gutachten über die bischöflichen (so die Hildesheimer Handschrift statt ‚geistlichen‛ im CR aus Pezel) Stifte zu erhalten. M. hatte Mollers Anfrage nicht recht verstanden und am 29. November zu allgemein geantwortet (4975), worauf Moller noch einmal schrieb und prompt am 6. Dezember das gewünschte Gutachten erhielt. Daß Georg Maior um diese Zeit in Wittenberg weilte (⇨ 4998), widerlegt diese Datierung nicht, denn er war krank und hatte kein Amt an der Universität.

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