Die Hamburger Geistlichen Paul von Eitzen, Joachim Westphal, Johannes Bodeker und Joachim Tegener an die Wittenberger Theologen. - [Hamburg, 1. Hälfte August] 1557

[1] Vff. werden in der Universität Wittenberg zu Unrecht beschuldigt, die Notwendigkeit guter Werke zu leugnen und in der Abendmahlslehre die papistischen Irrtümer Transsubstantiation, lokale Einschließung und Brotkult zu stützen. Dagegen beteuern sie hiermit und wollen dies auch in einer öffentlichen Schrift tun, daß sie gemäß der Hl. Schrift lehren, wie sie es von Martin Luther und den Adressaten gelernt haben.

[2] Bezüglich der guten Werke lehren die Vff., daß auf die Versöhnung bzw. Rechtfertigung aus Glauben notwendigerweise der neue Gehorsam folgen muß. Schriftzeugnisse hierfür. Ablehnung der Antinomisten und Verurteilung der Libertinisten.

[3] Gründe für die Notwendigkeit guter Werke: Schöpfungsordnung, Früchte der Buße, Kausalität, Gewissen, Finalität, Glaubenszeugnis, Lohn und Strafe, Vermeidung von Ärgernis, Disziplin.

[4] Verworfen werden [Georg] Maiors Thesen: gute Werke seien nötig zur Seligkeit, niemand werde selig ohne Werke.

[5] Gründe: Diese Thesen stehen in Widerspruch zum Evangelium von der Rechtfertigung sola fide, nehmen Christus die Ehre, stürzen die Gewissen in Verzweiflung, heben den Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium auf, verwirren die Gemeinden und öffnen dem Papsttum Tür und Tor.

[6] Vff. verweisen auf ihr Bekenntnis gegen Maior und verlangen, daß er zum Widerruf bewogen wird.

[7] Die Beschuldigung, im Abendmahl papistische Irrlehren zu stützen, ist ebenfalls unbegründet.

[8] Vff. lehren gemäß der CA [Variata Art. 10] und ihrer Auslegung durch Luther, [Johannes] Brenz, [Erhard] Schnepf, [M.s] Apologie und andere Schriften der Adressaten. Sie behaupten weder die Transsubstantiation noch die lokale Einschließung noch leugnen sie den Satz, außerhalb des einsetzungsgemäßen Vollzugs gebe es kein Sakrament.

[9] Vff. distanzieren sich von den Wiedertäufern und Sakramentariern, namentlich [Caspar] von Schwenckfeld, den auch die Adressaten bekämpfen. Doch sollten sie sich auch gegen Johannes Laski und dessen Anhänger wenden. Anbei Auszüge aus einem Buch von Laski [Epistolae tres ... de recta et legitima ecclesiarum instituendarum ratione ... Basel, Johannes Oporinus, 1556] und einem von [Bernardino] Ochino über das Sakrament [Syncerae et verae doctrinae de coena Domini defensio contra libros I. Westphali. Zürich 1556].

[10] Vff. wollen keine neue Abendmahlsdiskussion eröffnen, sondern berufen sich auf CA, Apologie, Schmalkaldische Artikel, den Katechismus und die Bücher Luthers und ihre eigenen Schriften und sind zu Erläuterungen bereit.

[11] Vff. bitten die Adressaten, sich nicht entfremden zu lassen. Sie erklären ihre Ergebenheit, wünschen Eintracht und widerstehen den Irrlehren der Papisten, Interimisten, Wiedertäufer, Osiandristen, Sakramentierer, Schwenckfeldianer u. a. Segenswunsch und Bitte um Antwort.

[12] J[ohannes] Wigand: Zustimmung namens der Magdeburger Gemeinde. Die Treue zu Luthers Lehre, CA, Apologie wird bekräftigt. Der Vorwurf, man lehre nicht die Notwendigkeit guter Werke und stärke die Transsubstantiation, schmerzt, da bekannt ist, daß die Magdeburger den Majorismus und den Zwinglianismus verwerfen. Irrtümer sollten ihnen aus der Schrift nachgewiesen werden.

Fundort:
A. Greve, Memoria Ioachimi Westphali (1749), 315-321 [H *1231]; Abschriften: København KB, E Don. Var. 122 4o, Vol. I, f. 181r-185v; Wolfenbüttel HAB, Cod. Guelf. 11.10 Aug. 2o, f. 367r-372v; ebd., Cod. Guelf. 79 Helmst., f. 13r-18v.
Datierung:
§ 12 nur in den beiden Wolfenbütteler Handschriften, in Cod. Guelf. 11.10 Aug. 2o als Konzept von Wigands Hand; die Namen der Unterzeichner aus der Kopenhagener Abschrift. Datum: Am 18. August 1557 schrieb der Lüneburger Superintendent Friedrich Henninges an Joachim Westphal: Cum intelligam ex postremis tuis literis pridie mihi redditis, Tuam H[umanitatem] dom[inum] D[octorem] et Superintendentem vestrum, ubi domum fuerit reversus, hortaturam esse, ut confessio vel potius Apologia de operum necessitate et Sacramento Altaris propter D[omini] Philippi absentiam in publicum edatur, non ignorabit ea, mihi hoc tuum consilium et propositum maxime probari. Imo iudico, id valde utile et necessarium esse. Age igitur cum domino Doct[ore] et Superintendente vestro, ut editio illa quamprimum maturetur. Nos eodem fere modo, ut a vobis subscriptum fuerit, etiam subscribere non gravabimur (Sillem, Westphal-BW 289f Nr. 154). Offensichtlich ist 8310 gemeint, das demnach vor diesem Tag vollendet war und im Kreis der Gesinnungsfreunde handschriftlich verbreitet wurde. Die Publikation unterblieb. M. hat dieses Schreiben offenbar nie zu Gesicht bekommen, denn in seinen Briefen findet sich keine Erwähnung. Seine Wertschätzung der Hamburger Kirche ist durchweg hoch (⇨ 7385.8; ⇨ 7809; ⇨ 7841; ⇨ 7892; ⇨ 7896.10; ⇨ 7937; ⇨ 8042.5; ⇨ 8097.2; ⇨ 8513).

Normdaten