Joachim Camerarius an M. [in Wittenberg]. - [Leipzig, 20. Oktober 1549]

[1] C. wollte durch [den Überbringer Johannes] Stigel ausführlicher schreiben, was ihn nach M.s Abreise bewegte, und insbesondere fragen, ob und wann [Friedrich] Staphylus nach Preußen geht. Doch viele Abhaltungen und vor allem die Nachricht, daß einige [Studenten] diese Nacht im Rathausgefängnis lagen, verhinderten die Sammlung seiner Gedanken. C. will beim Frühstück von [Valentin] Paceus Näheres über den Vorfall erfahren.

[2] M.s Vorrede [5643], die C. erst überfliegen konnte, dürfte den Streit [mit Flacius] nicht beilegen. Stigel überbringt einen Brief an Franz [Burchard]. Gruß von C.s Familie.

Fundort:
Eigenhändig: Gotha FB, Cod. Chart. A 126, f. 38r-v. ‒ MBW.T 20 (erstmals publiziert).
Datierung:
Datum: Paceus war von 31. 7. 1547 bis 1556 in Leipzig tätig (WAB 6, 379). Staphylus war seit 1546 in Königsberg (⇨ 4271). 1549 kam er für längere Zeit nach Wittenberg und Breslau (⇨ 5620). Die Vorrede M.s, die einen Streit nicht beilegen kann, ist also 5643 vom 1. Oktober. Am 9. Oktober 1549 wollte M. in Leipzig ankommen (⇨ 5644.1), war dann auch noch in Merseburg und am 16. nach einer anstrengenden fünftägigen Wagenfahrt wieder in Wittenberg (⇨ 5649.3). Am 19. Oktober, einem Samstag, ließen sich fünf Leipziger Studenten aus Bamberg, also Landsleute des C., in einer Kneipe in [Groß-]Zschocher (heute Stadt Leipzig) mit Bier vollaufen und schossen beim Heimmarsch mit Donnerbüchsen auf Gänse. Die Bauern erwischten einen von ihnen und übergaben ihn dem Dorfherrn Hans von Hayne, der ihn festsetzte. Am andern Tag schaltete sich der Rektor ein und übernahm den Missetäter in die eigene Gerichtsbarkeit. Die in den Rektoratsakten (Zarncke 360f) ausführlich protokollierte Angelegenheit entspricht in Einzelheiten zwar nicht dem, was C. gehört hatte, aber es gab in dieser Zeit gewiß keinen ähnlichen Fall, der dann nicht protokolliert worden wäre. Somit läßt sich 5654 genau datieren. C. schrieb am Sonntagmorgen vor dem Frühstück, als er von dem Vorfall gerade gehört hatte. Seine ungenaue Information ist dadurch erklärlich. Stigel hatte anscheinend bei C. übernachtet und brach früh morgens nach Wittenberg auf.

Normdaten
Personen:

Burchard, Franz: http://d-nb.info/gnd/117160997

Camerarius, Joachim: http://d-nb.info/gnd/118518569

Flacius, Matthias: http://d-nb.info/gnd/118533649

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485

Paceus, Valentin: http://d-nb.info/gnd/100769292

Staphylus, Friedrich: http://d-nb.info/gnd/118798472

Stigel, Johannes: http://d-nb.info/gnd/104318864