Fürst [Georg von Anhalt, M. (Vf.), Johannes Pfeffinger, Daniel Greser, Joachim Camerarius u. a. an die kfl. Räte in Torgau]. Dt. - Torgau, 13. April [1549]

[Stellungnahme zu den Vorwürfen Gabriel Zwillings, ⇨ 5499].

[1] Daß Änderungen der Zeremonien Unruhe hervorrufen würden, wurde von Anfang an befürchtet [⇨ 5112; 5117]. Doch ohne sie waren Besatzungsgreuel wie in Württemberg [⇨ 5420.1] zu erwarten. Lehre und Sakramente wurden erhalten, und das Papsttum hängt nicht von altkirchlichen Zeremonien ab, die ohnehin zumeist noch in Brauch waren und zur Ordnung nötig sind.

[2] Zweck der neuen Ordnung [Georgs-Agende, ⇨ 5473] ist die Vereinheitlichung in der [kursächsischen] Kirche. Auch in der ersten Visitation [des Jahres 1527, ⇨ 558 u. ö.] wurden unterlassene Zeremonien wieder eingeführt, aber die Behauptung eines Johannes Agricola und anderer, das Papsttum würde wieder aufgerichtet, stützte sich nicht darauf [sondern auf die Gesetzespredigt, ⇨ 634]. Bann und Jugenderziehung sollen durch die neue Ordnung verbessert werden. Die Leute streiten mehr um ihre persönliche Freiheit als um die Lehre.

[3] Nicht Furchtsamkeit, sondern Sorge um das Volk leitete die Vff.

[4] Auch Luther befürwortete Gleichheit in Mitteldingen. Vom Regensburger Reichstag [1541] sandte man Fürst Johann von Anhalt deswegen zu ihm [⇨ 2728].

[5] Die neue Ordnung führt keine neuen Zeremonien ein.

[6] Sie wird den Nachbarn, z. B. den Schlesiern, den Zugang zur rechten Lehre erleichtern.

[7] Der Vorwurf der Abgötterei ist unberechtigt; die Messe wird wie vor tausend Jahren bei Dionysios [von Alexandrien, ⇨ 2724] gefeiert. Gestärkt wurden die Päpstlichen durch Uneinigkeit der [Evangelischen]. Die Intoleranz der Kritiker [Zwilling u. a.] wirkt wie ein neues Papsttum.

Fundort:
CR 7, 363-366 Nr. 4515. ‒ MBW.T 19.
Datierung:
Tagesdatum in der Abschrift des Johannes Wigand: Wolfenbüttel HAB, Cod. Guelf. 12.9 Aug. 2o, f. 128r-130r (hier M. als der einzige Vf.). Jahr aus dem Aktenkontext in Dresden SA, Loc. 7434 Torgauischer und Grimmischer Tag 1549, f. 25v-28v, sowie GWB Bl. 279b-282a (hier die Namen der übrigen Absender). Am 13. April, Samstag vor Palmarum, war die Konferenz beendet, denn noch an diesem Tag kehrte M. nach Wittenberg zurück, wie Johannes Aurifaber [Vratislaviensis] dem Matthias Flacius am Palmsonntag 1549 berichtete: ARG 20 (1923), 62-65, bes. 65. Aus diesem Brief geht auch hervor, daß Flacius nicht nach der Torgauer Konferenz seine Wittenberger Stelle verlassen hat, wie GWB Bl. 282a zu lesen ist, sondern schon vorher.

Normdaten
Personen:

Agricola, Johannes: http://d-nb.info/gnd/118501070

Aurifaber Vratislaviensis, Johannes: http://d-nb.info/gnd/130466042

Camerarius, Joachim: http://d-nb.info/gnd/118518569

Dionysios von Alexandrien: http://d-nb.info/gnd/118525905

Flacius, Matthias: http://d-nb.info/gnd/118533649

Georg von Anhalt: http://d-nb.info/gnd/118716891

Greser, Daniel: http://d-nb.info/gnd/116832371

Johann IV. von Anhalt: http://d-nb.info/gnd/104173734

Luther, Martin: http://d-nb.info/gnd/118575449

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485

Pfeffinger, Johannes: http://d-nb.info/gnd/122760441

Wigand, Johannes: http://d-nb.info/gnd/117383317

Zwilling, Gabriel: http://d-nb.info/gnd/129600601