M. an Caspar Aquila in Saalfeld. - [Wittenberg], 1. September 1547

[1] [Antwort auf einen Brief A.s an M.]:

[1.1] Da Hoffnung auf Eröffnung der Universität geweckt wurde [⇨ 4814.3] und die Kollegen ihn dringend darum baten, kehrte M. zurück, auch aus Verantwortung gegenüber der Kirchengemeinde [Wittenberg]. Dem Geschenk Gottes, daß die Stadt unzerstört blieb, könnte als zweites die Wiedereröffnung der Universität folgen.

[1.2] Von den Kritikern seiner Rückkehr erbittet M. Verständnis für seinen Kummer. Vielleicht waren seine Sehnsucht nach den Freunden und sein Optimismus zu groß, aber aus Gewinnstreben kam er nicht, sondern lebt auf eigene Kosten wie ein Fremdling, in gemeinsamer Trauer und Gebet, und kein Tag vergeht ohne Tränen.

[1.3] Wenn die Eröffnung zustande kommt, wird sie den umliegenden Gemeinden nützen. Wenn neues Exil nötig wird, so wurde die [endgültige] Zerstreuung der Universität wenigstens aufgehalten. M.s falsche Hoffnung als Verleugnung der Lehre auszugeben, ist Unrecht. M.s Reise schadete nicht. Er gibt ein nützliches Schulbuch heraus, seine neubearbeitete Dialektik [⇨ 4875].

[2] Antwort auf A.s Brief an Bugenhagen: Gegen Verleumdungen versichert M., daß das Evangelium in Wittenberg verkündet wird, wöchentlich Ordinationen stattfinden, der gefangene [Kf. Johann Friedrich von Sachsen] verehrt und für ihn öffentlich und privat gebetet wird, die Lehre niemals verändert werden wird, niemand über den [ernestinischen] Hof abfällig redet. Er bittet A., solchen Verleumdungen nicht zu glauben und Mitleid mit der leidgeprüften Gemeinde Wittenberg zu haben. M. weiß noch nicht, wo er einmal sterben wird. Grüße von [Bugenhagen], Cruciger und [Georg Rörer].

[3] Der Überbringer Sebastian [Dietrich], M.s Kollege, kann mehr berichten.

Fundort:
CR 6, 649-651 Nr. 3988. ‒ MBW.T 17.
Datierung:
Peucers Edition und mindestens 12 Abschriften überliefern diesen Brief, abgesehen von zahlreichen Textvarianten, darunter vereinzelt die abwegige Adresse Valentin Trotzendorf und die eindeutig falschen Daten des 27. 8. 1547 und des 24. 8. 1541, in zwei erheblich differierenden Fassungen von § 2: eine kürzere mit dem Datum des 1. 9. 1547 wird von mehreren guten Handschriften geboten, wogegen Peucer und einige Handschriften eine längere Fassung haben, deren Datum 29. 8. 1547 durch den Tagesheiligen gesichert wird; hier fehlt § 3. Inhaltlich sind beide Fassungen gleich, außer daß in der längeren gesagt wird, [Justus] Jonas predige in Halle. Er war damals aber in Hildesheim, vgl. Kawerau, Jonas-BW 2, 229ff. Auch wenn dieser Fehler erst durch die Überlieferung entstand — Halle als Verschreibung oder Verschlimmbesserung für Hildesheim, wo Jonas nur kurze Zeit wirkte, liegt nahe —, so stört dieser Satz doch die sonst ganz auf Wittenberg abgestellte Darlegung. Man gewinnt den Eindruck, daß M. die Fassung des 29. August nach Beratung mit Bugenhagen und Cruciger straffer und klarer formulierte und dann am 1. September der Brief von dem Wittenberger Dozenten Sebastian Dietrich, der vermutlich in seine Heimat Windsheim reiste, mitgenommen wurde.

Normdaten
Personen:

Aquila, Caspar: http://d-nb.info/gnd/118649914

Bugenhagen, Johannes: http://d-nb.info/gnd/118517287

Cruciger, Caspar: http://d-nb.info/gnd/118670646

Dietrich, Sebastian: http://d-nb.info/gnd/100635415

Johann Friedrich d. Ä. von Sachsen: http://d-nb.info/gnd/118712373

Jonas, Justus: http://d-nb.info/gnd/118712926

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485

Rörer, Georg: http://d-nb.info/gnd/100256236

Trotzendorf, Valentin: http://d-nb.info/gnd/121134245