[M.]: Gutachten. - [Frankfurt/Main, März 1539]

Über eine Bestandsgarantie der Hochstifte.

[1.1] Die Obrigkeit ist für den Gottesdienst verantwortlich

[1.2] in den Grenzen ihrer Zuständigkeit.

[1.3] Hier ist die Reformation von Pfarreien, Stiften und Klöstern rechtens.

[1.4] Dagegen sind Eingriffe in fremde Obrigkeit (außer im Fall des Widerstands) durch die Hl. Schrift verboten. Beispielsweise darf Nürnberg nicht in Bamberg reformieren.

[1.5] Deshalb kann der Bestand der Stifte garantiert werden.

[2.1] Wenn daraufhin in den Städten Straßburg, Augsburg, Konstanz und Frankfurt die Geistlichen auf Restitution dringen,

[2.2] ist auf das Beispiel Magdeburg [⇨ 1657.3] zu verweisen. Auch Bremen erhielt den Rat, dem Domkapitel die Restitution der Zeremonien nicht zu verwehren [1308].

[2.3] Die Restitution soll auf friedliche Weise verhindert werden.

[3.1] Obgleich nicht dem allgemeinen Recht entsprechend, ist ein Verbot der Abgötterei zu verantworten.

[3.2] Denn die Geistlichen sind Feinde und intrigieren gegen die Städte.

[3.3] Den Bann gegen Gotteslästerer will M. nicht anführen,

[3.4] auch nicht Deut 7.

[3.5] In Mailand duldete man laut Ambrosius gegen kaiserliches Gebot keine Arianer.

[3.6] Dies wird nur erwähnt. Doch in fremden Fürstentümern ist keine Reformation möglich, außer im Fall des Widerstands.

[4] Also können die Stifte unter fremder Herrschaft garantiert werden.

Fundort:
Abschrift [von Caspar Cruciger]: Weimar HSA, Reg. H, Nr. 41, f. 134r-136v; Abschrift hieraus: Gotha FLB, Cod. Chart. B 28, f. 49v-51r mit dem Zusatz am Rand: „Ex chirographo Crucigeri“. ‒ MBW.T 8 (erstmals publiziert).
Datierung:
Verfasser und Datum: Das Gutachten ist als Abschrift Crucigers in einem Band des Weimarer Archivs überliefert, der ohne Ordnung vornehmlich Akten des Schmalkaldischen Bundes, darunter zahlreiche Schriftstücke Wittenberger Theologen und Juristen, enthält. Zum Thema Stadt und Hochstift bzw. Obrigkeit und Kirchengüter hat M. mehrere Gutachten verfaßt oder an solchen mitgewirkt (MBW 1308 Bremen; 1657 Frankfurt/Main; 1739 Augsburg; 2391 Kirchengüter). In keinem Punkt weicht 2171a von M.s darin und an anderer Stelle abgegebenen Voten ab. Die Obrigkeit hat ein Reformationsrecht (De officio principum: CR 16, 86; MSA 1, 388f). Eingriffe in fremde Obrigkeit oder Patronatsrechte sind jedoch verboten (1308.1; 1657.3; 1739.4). Erwähnt werden ein früherer Ratschlag für Bremen (1308) und einer, in dem auf das Beispiel Magdeburg verwiesen wird. Magdeburg und Bremen hält M. den Frankfurter Geistlichen vor (1657.3). Somit ist klar, daß dieses Gutachten (1657) gemeint ist. Eine starke Parallele zu 2171a stellen auch die Ausführungen M.s über die Verantwortung der Obrigkeit für Kirchen und Schulen in dem Gutachten über Kirchengüter vom Schmalkaldischen Bundestag im März 1540 dar (2391.1). Damit ist M.s Verfasserschaft für 2171a erwiesen. Schon die Entdecker dieses Stücks vermuteten M. als Verfasser und nahmen als Entstehungszeit das Jahr 1539 an (Enders 18, 18). Ab Februar dieses Jahres fand in Frankfurt/Main ein Schmalkaldischer Bundestag statt, gefolgt von Verhandlungen der Schmalkaldener mit dem kaiserlichen Gesandten Johann von Weeze unter Vermittlung der Kff. Ludwig von der Pfalz und Joachim II. von Brandenburg, die am 19. April zum Frankfurter Anstand führten. M. war vom 13. Februar bis 20. April dort anwesend (⇨ 2147; ⇨ 2190). Dies erklärt, warum 2171a ohne Begleitschreiben überliefert ist. Tatsächlich forderte man von den Schmalkaldenern Bürgschaften für die Unverletzlichkeit der geistlichen Güter (Th. Kolde: RE 6, 168.53f). Am 12. März enthielt der Vorschlag der Vermittler erstmals die Forderung, den Geistlichen und Stiften ihre Güter und Nutzungen zu lassen (P. Fuchtel, Der Frankfurter Anstand vom Jahre 1539: ARG 28, 1931, 172; Pol. Corr. Straßburg 2, 569 bei Nr. 585). Am 19. März drang Johann von Weeze in einem fast vierstündigen Gespräch in Kf. Johann Friedrich von Sachsen, keine Veränderungen in den Zeremonien und Gütern der Kirchen vorzunehmen (Fuchtel 175; Pol. Corr. Straßburg 2, 575 Nr. 589). Dieser unterrichtete tags darauf die Stände. Ob M. am 12. oder am 20. März mit einem Gutachten beauftragt wurde, läßt sich nicht entscheiden.

Normdaten
Personen:

Ambrosius: http://d-nb.info/gnd/11850245X

Cruciger, Caspar: http://d-nb.info/gnd/118670646

Joachim II. von Brandenburg: http://d-nb.info/gnd/118557556

Ludwig von der Pfalz: http://d-nb.info/gnd/119272334

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485

Weeze, Johann von: http://d-nb.info/gnd/120907321