[1] Endzweck des Leidens Christi ist das ewige Leben des Menschen bei Gott. Dies ist nur durch Teilhabe an Gott möglich und beginnt in diesem Leben durch den Heiligen Geist, der wesensgleich ist mit Gott Vater und Sohn. Der Geist kann uns nur lebendig machen, wenn wir für ihn bereit (habiles) sind, was wegen der Sünde nicht der Fall ist. Wir werden bereit, wenn die Sünde aus den Augen Gottes verschwindet. Dies geschieht durch die Anrechnung (imputatio) des Gehorsams Christi als unsere vollkommene Gerechtigkeit vor Gott.
[2] Wenn also der Mensch durch den Glauben um des Gehorsams Christi willen anrechnungsweise (imputative) gerecht ist, kann er durch Empfang (participatione) des Geistes Christi lebendig gemacht werden. Gleichzeitig (simul) beginnt Gott uns wirklich gerecht zu machen durch Beseitigung des Rests der Sünden, deren Schuld (reatus) schon aufgehoben ist. Durch die angerechnete Gerechtigkeit wird der Mensch zur nachfolgenden (posteriorem) Gerechtigkeit vorbereitet, durch die Gott uns durch die Teilhabe an ihm wirklich lebendig und gerecht zu machen beginnt.
[3] Zweierlei ist Osiander vorzuwerfen: Er bestreitet, daß jene erste [angerechnete] in der Schrift ‚Gerechtigkeit‛ genannt wird. Zweitens bezieht er die Bibelstellen, die von dieser angerechneten handeln, auf die nachfolgende. Eintracht könnte hergestellt werden, wenn die Teilhabe an der wesenhaften (essentialis) Gerechtigkeit als Wiedergeburt verstanden wird, wenn die Worte des Paulus in ihrem Sinn belassen werden, und wenn das Ganze in christlicher Liebe geschieht.