Johannes Stigel an M. [in Wittenberg]. - [Jena, 12./13. Oktober 1555]

[1] In der Bedrängnis der Endzeit freut sich St. der Freundschaft und Glaubensgemeinschaft mit M. Er wird zur von M. bestimmten Zeit zu ihm kommen, um literarische Gespräche zu führen und M.s ungarischen Wein zu trinken. Die Trauben reifen. St. betet um die Eintracht der Lehrer und die Erhaltung der Wahrheit.

[2] Die von M. geschickte Münze legte St.s Frau [Barbara] zu den vielen anderen Geschenken M.s. Dank.

[3] Das Gespräch mit dem [Wittenberger] Dekan [Valentin Trutiger, ⇨ 7579] war willkommen, aber knapp.

[4] St. grüßt [Caspar] Peucer, seinen Schwager [NN], Hubert Languet und alle Freunde.

Fundort:
H. -H. Pflanz, Johann Stigel als Theologe (Diss. theol. Breslau 1936), 113f Nr. 1 [H 3440] (fehlerhaft).
Datierung:
Datum: Das (leicht abgewandelte) Zitat Vergil, Eclog. 9, 49, weist auf die Zeit der Traubenreife, also September/Oktober. In die relativ dichte Reihe der zwischen M. und St. gewechselten Briefe läßt sich 7605 nicht einfügen; beide Gegenbriefe M.s sind nicht erhalten. Durch die Erwähnung Languets, der 1551 nach Wittenberg kam (⇨ 6932.1 vom 13. 8. 1553: vixit apud nos fere biennium; in der Matrikel steht er nicht), scheiden die Jahre davor aus. Folgende Jahre lassen durch andere Briefe und Ereignisse keinen Raum für 7605: 1551 wegen der Folge 6202, 6224 und 6231. 1552 herrschte in Wittenberg eine Seuche, weshalb die Universität nach Torgau verlegt wurde (⇨ 6505). Zu fröhlichem Weintrinken in Wittenberg war gewiß keine Gelegenheit. Außerdem schließt 6574 dieses Jahr aus. 1553 war Languet nicht in Wittenberg (⇨ 6932-6934; ⇨ 6938; ⇨ 6983; ⇨ 7023), was St. allerdings nicht unbedingt wissen mußte. Doch dieser war im Juli bei M. (⇨ 6908f), wobei er Languet kennenlernen konnte und vielleicht auch von dessen Reiseplänen erfuhr. Daß er noch einmal im Oktober kam, ist wenig wahrscheinlich, wenn auch durch 7022 nicht auszuschließen. Doch ist Sebastian Dietrich, der im Sommersemester 1553 Dekan der philosophischen Fakultät war, am 1. September und am 12. Oktober in Wittenberg anwesend (6959; 6997), so daß eine Reise nach Jena in dieser Zeit nahezu ausgeschlossen ist. 1554 fand M. bei seiner Rückkehr von der Schulvisitation Ende September einen Brief St.s vor, den er an Camerarius weiterschickte (⇨ 7290); er müßte sich demnach, wenn er erhalten wäre, in der Collectio Camerariana in München befinden, nicht wie 7605 in der Landeshuter Sammlung in Wolfenbüttel. Entscheidend aber ist, daß im Sommersemester 1554 Peucer Dekan der philosophischen Fakultät war (Köstlin 1891, S. 14); in 7605 sind es zwei verschiedene Personen. 1555 war M. von Anfang September bis 16. Oktober unterwegs in Dessau und Nürnberg (⇨ 7573; bei ⇨ 7603). Danach konnte St. nach Wittenberg kommen. Der ernste und kritische Brief vom 1. Dezember (7656) paßt zwar schlecht zu der Heiterkeit von 7605. Doch konnte die Problematik der Abendmahlslehre M.s für St. erst in der Zwischenzeit akut geworden sein. Ungarischer Wein war damals bei M. vorhanden, nichts Alltägliches (→CR 9, 544f, 9. 5. 1558 an Hz. Albrecht von Preußen), wovon M. gern austeilte (bei ⇨ 7657). 1556 war ein Treffen in Aussicht genommen, aber es sollte geheim an einem anderen Ort sein (⇨ 7932). 7605 ist nicht die Antwort auf 7932 und verträgt sich schlecht mit 7967. Hinzu kommt, daß St. am 7. Dezember 1556 eine zweite Ehe einging (⇨ 8043). Seine Frau Barbara, die im Januar 1555 zuletzt erwähnt wird (⇨ 7380), war im September 1556 gewiß nicht mehr am Leben. In 7605 spricht St. von seiner Frau, mit der zusammen er von M. schon viele Geschenke erhalten habe; dies weist auf eine längere Ehe hin, also auf Barbara. 1557 befand sich M. beim Wormser Religionsgespräch. 1558 ist durch den Brief vom 9. Oktober (CR 9, 644f Nr. 6615) ausgeschlossen, 1559 durch den vom 31. Oktober (CR 9, 956 Nr. 6857). Somit bleibt nur noch das Jahr 1555 übrig. Dekan war damals Trutiger (Köstlin 1891, S. 16). Am 6. September 1555 gab M. ihm, der eine Stelle suchte, eine Empfehlung an Johannes Mathesius mit (7579). Es ist durchaus denkbar, daß er auf der Reise nach Joachimsthal einen Umweg über seine Heimatstadt Halle und über Jena nahm, um dort wegen einer Anstellung zu sondieren. Wenn also 7605 mit großer Wahrscheinlichkeit im September/Oktober 1555 geschrieben ist, dann hat M., der auf der Rückreise von Nürnberg am 11. Oktober in Saalfeld rastete, aber nicht durch Jena kam (bei ⇨ 7603), vermutlich von Saalfeld aus St. nach Wittenberg eingeladen und ungarischen Wein, den er vielleicht in Nürnberg bekommen hatte, in Aussicht gestellt, ihm auch ein Goldstück geschenkt, das wohl ebenfalls aus dem Nürnberger Honorar stammte. St. hat wohl unverzüglich geantwortet und um einen genauen Termin gebeten. Ob das Treffen dann wirklich zustande kam, muß im Hinblick auf 7656 bezweifelt werden. Die Heiterkeit in 7605 dürfte durch M.s (verlorenen) Brief hervorgerufen sein. Auf dem Heimweg nach einer erfolgreichen Mission hatte M. allen Grund zur Freude.

Normdaten
Personen:

Albrecht von Preußen: http://d-nb.info/gnd/118637673

Camerarius, Joachim: http://d-nb.info/gnd/118518569

Dietrich, Sebastian: http://d-nb.info/gnd/100635415

Languet, Hubert: http://d-nb.info/gnd/118778722

Mathesius, Johannes: http://d-nb.info/gnd/118731696

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485

Peucer, Caspar: http://d-nb.info/gnd/118790676

Stigel, Barbara: http://d-nb.info/gnd/140857257

Stigel, Johannes: http://d-nb.info/gnd/104318864

Trutiger, Valentin: http://d-nb.info/gnd/119852780