M. an Caspar Aquila in Saalfeld. - Jena, [Ende August/Anfang September 1527]

568
Ehemals 604.

[1.1] Auch M. ist über die Widersetzlichkeit einiger Priester, worüber sich A. beklagte, aufgebracht, denn sie vertieft die Kirchenspaltung, die er durch die Visitation gerade beseitigen wollte, weshalb er die evangelischen Prediger zur Mäßigung mahnte und einige katholische Lehren übernahm, namentlich die recht verstandene Einteilung der Buße [CR 26, 20f; MSA 1, 242ff].

[1.2] Nun wird M. von A. als Papist verdächtigt, wo doch seine bei A. befindliche Schrift [Articuli ..., ⇨ 598] M.s Verständnis der Buße darlegt. M.s Erfahrung bei der Visitation führte zur Definition der Reue als Anfang der Buße.

[1.3] Gegen A.s Verlangen nach Verzicht auf solche Einteilungen.

[1.4] Im Geqensatz zu den vielen rechthaberischen, intoleranten Neuerern zeichnet sich A. durch Mäßigung aus.

[2] Für die Mönche [des Benediktinerklosters Saalfeld] ist Gf. Albrecht [von Mansfeld] zuständig. In der Stadt dürfen sie nicht predigen, sollen aber nicht vertrieben werden. Die A. gegen sie aufhetzen, haben es auf ihren Besitz abgesehen. Die Reformation darf nicht in Barbarei enden.

[3] Abschließende Mahnung zur Mäßigung. Auch die Katholiken haben zuweilen gegen ungebildete Lutheraner recht.

Fundort:
CR 4, 959f Nr. 480c; Suppl. 6/1, 401 Nr. 610; R. Herrmann: Beiträge zur Thüringischen Kirchengeschichte 3 (1933/35), 50f [H 3406]. ‒ MBW.T 3.
Datierung:
Datum: Erste Kritik an seinen Visitationsartikeln kam M. in Torgau am 26./27. September zu Ohren (⇨ 610). In dem verlorenen Brief, den Luther am 27. 10. beantwortete (612.4), berichtete M. ohne Namensnennung von Kritik an seiner Bußlehre, die nicht von Johannes Agricola kam, und zwar geht es um die Reue als Beginn der Buße. Luther schreibt zwar statt ‚contritio‛ ‚timor dei‛, doch das ist eine sachlich gleichbedeutende Ausdrucksweise für M.s Erläuterung ‚vere perhorrescere iudicium dei‛ (CR 26, 20). Daß jener Ungenannte Aquila ist, dürfte demnach sicher sein. M.s Brief an Luther enthielt auch die Anregung, Augustin Himmel für Neustadt/Orla zu nominieren, denn Luther reagierte darauf ebenfalls am 27. 10. (⇨ 605). Er ist also zwischen dem 16. und dem 19. 10. (⇨ 606) geschrieben. Der Brief an Aquila fällt in dieselbe Zeit, wahrscheinlich etwas früher.
Nachtrag:
Jetzt 584a. Die Umstellung dieses undatierten Schreibens von ca. Mitte Oktober auf Ende August/Anfang September wurde vorgeschlagen von Timothy J. Wengert, Law and Gospel. Philip Melanchthon's Debate with John Agricola of Eisleben over Poenitentia (1997), 104-106. Er stützt sich dabei auf folgende Argumente: 584a befaßt sich in Parallele zu 568 mit A.s scharfer Predigtweise, knüpft also auch unmittelbar an M.s Visitationstätigkeit an. Die Visitationsartikel (⇨ 598.1) werden hier als „scriptum“, später in 598 als „libellus“ bezeichnet, wohl ein Indiz dafür, daß sie in 584a noch ungedruckt sind. A. hatte Kritik geübt an M.s traditioneller Einteilung der Buße in Reue, Bekenntnis und Genugtuung. Erst später tadelte Johannes Agricola die Bußlehre in M.s Visitationsartikeln, weil er die Buße mit der Strafangst beginnen läßt statt mit der Liebe zur Gerechtigkeit. M. teilt dies A. selbst in 618f als Neuigkeit mit. Schließlich stützte sich die ursprüngliche Einordnung von 584a vor allem auf die Interpretation des Briefes von Luther an M. vom 27. 10. 1527 (612). Luther antwortet auf einen verlorenen Brief M.s, worin dieser über Angriffe „a quodam“ auf seine Bußlehre in den Visitationsartikeln geklagt hatte. Luther sagt, auch Johannes Agricola habe Ähnliches an ihn geschrieben (612.4). Wegen 584a wurde dieser „quidam“ mit Aquila identifiziert. Tatsächlich dürfte jedoch Agricola gemeint sein.

Normdaten
Personen:

Agricola, Johannes: http://d-nb.info/gnd/118501070

Aquila, Caspar: http://d-nb.info/gnd/118649914

Himmel, Augustin: http://d-nb.info/gnd/114088414X

Luther, Martin: http://d-nb.info/gnd/118575449

Mansfeld, Albrecht von: http://d-nb.info/gnd/102478929

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485