M.: Abhandlung über das Meßopfer. - [Wittenberg, ca. 24. Oktober 1548]

[1.1] Zahlreiche Priester zelebrierten zu allen Zeiten die Messe in Gedankenlosigkeit.

[1.2] Einige abergläubische Gelehrte machten sie zum Opfer für eigene und fremde Sünden, wie aus Thomas [von Aquin], [Duns] Scotus u. a. zu ersehen.

[2.0] Diese Mißbräuche des Abendmahls waren zu tadeln,

[2.1] zunächst die Unkenntnis und Nachlässigkeit.

[2.2] Danach wurde gezeigt, daß dieses Werk dem Zelebranten u. a. keine Sündenvergebung bringt.

[2.3] Diese Ansicht fand Zustimmung bei allen Gebildeten und wurde vom Augsburger [Interim] angenommen.

[3.1] Der wahre Gebrauch wurde gelehrt, daß gemäß dem Evangelium und der alten Kirche Austeilung und Empfang als Sakrament eingesetzt wurden, damit der Empfangende an die Annahme um Christi willen glaubt, und zum Zeichen für die Eingliederung in seinen Leib.

[3.2] Der Empfang verdient nicht Sündenvergebung und wirkt nicht „ex opere operato“, sondern ist Bestätigung der zuvor geschehenen Annahme.

[3.3] Die Zuwendung als Trost geschieht durch den eigenen Glauben unter Wirkung des Heiligen Geistes.

[3.4] Diesen Hauptzweck bezeugen die Einsetzungsworte.

[3.5] Weitere Zwecke sind Gebet, Danksagung und Bekenntnis als öffentlicher Akt.

[3.6] Es vereinigen sich also Predigt, Konsekration, Austeilung, Empfang, Gebet, Glaube und Danksagung. Cyprian hierzu.

[3.7] Diese Werke bezeichnet das Altertum als Opfer und versteht darunter nicht ein Opfer für die Sünde, sondern — wie auch heute einige — ein Gedenk- und Lobopfer.

[3.8] Dieser wahre Gebrauch des Abendmahls wird gelehrt.

[3.9] Die Leitung hat der Priester, das Volk wirkt mit.

[3.10]. Dagegen enthalten der lateinische und griechische Kanon blasphemische und wirre Opfergebete.

[3.11] Der Abendmahlsritus in den [evangelischen] Gemeinden ist untadelig und nicht änderungsbedürftig.

[4.1] Doch die Gegner vermissen Opfer und Zuwendung an andere.

[4.2] Hauptstreitpunkt ist die Zuwendung, wobei die Zuwendung an Untätige nicht mehr behauptet wird. Doch ist Folgendes festzuhalten:

[4.3.1] Das Opfer Christi war einmalig [Hebr 10, 14]. Die Zuwendung geschieht durch den Glauben und durch den Gebrauch des Sakraments, nicht durch das Opfer des Priesters.

[4.3.2] Hierzu ist der Empfang eingesetzt.

[4.3.3] Das Testament Christi ist nicht zu verändern. Dessen Inhalt.

[4.3.4] Es gibt kein Opfer „ex opere operato“ im Neuen Testament. Die levitischen Opfer waren ebenfalls keine. Auch die Opferhandlung [in der Messe] ist es nicht. Irenaeus, Augustin und der griechische Kanon hierzu. Die Folge der Zuwendung wäre eine Aufteilung des Vertrauens auf das Opfer Christi und das des Priesters.

[5-8] Scheinbare Gegenargumente.

[5.1] Das Bestehen von Priestertum und Opfer seit Abel. Ja, aber recht verstanden: Oberster Priester ist Christus, die übrigen Priester sind Lehrer des Evangeliums und Hüter der zeitlich wechselnden Zeremonien. Sie bringen mit der Kirche Gebet, Glauben, Danksagung, Liebe, Bekenntnis und alle Tugenden als Opfer dar.

[5.2] Die levitischen Zeremonien waren vor allem politische Handlungen, aber auch wie die Sakramente Zeichen der Verheißung.

[5.3] Zum Abendmahl jedoch gehört Glauben.

[6.1] Die Geschichte des Melchisedek [Gen 14, 18-20] als Typos des Abendmahls zeigt nicht Verdienst und Zuwendung, sondern Austeilung und Empfang.

[6.2] Ein anderer Typos ist das Mahl Abrahams [Gen 18, 1-8].

[6.3] Melchisedek als wahrer Priester übte seinen Ritus mit dem richtigen Verständnis.

[6.4] Die Segnung bei Melchisedek und Christus.

[7] Die Kritik des [Michael Helding], das Wort des Maleachi [1, 11] könne nicht auf Opfer des Herzens bezogen werden, wird zurückgewiesen.

[8] Das immerwährende Opfer bezeichnet das Opfer Christi, ist aber auch Typos des Abendmahls. Nicht die [Evangelischen], sondern die Gegner zerstörten es durch Irrlehren. Opfer und Abendmahl übertragen sie aus Gewinnsucht auf die Toten. Sie verwüsten die [evangelischen] Kirchen und vertreiben die Pfarrer, wie Antiochus den Tempel in Jerusalem verwüstete.

[9.1] Wenn bei der Opferung die Worte des Kanons „Offerimus tibi filium“, oder wie jetzt [das Interim] sagt: „Sistimus tibi filium“, ohne Zuwendung gedeutet wird, dann sind die [evangelischen] Kirchen nicht zu tadeln, die ähnlich beten.

[9.2] Der Sohn opfert sich selbst. Wir setzen unser Vertrauen in dieses Opfer.

[9.3] Für das Wort „sistere“ gilt dasselbe.

[9.4] Der griechische Kanon war zurückhaltender.

[9.5] Die Behauptung, das Opfer verdiene zwar nicht Sündenvergebung, aber viele andere Güter, macht die Messe wieder käuflich und entfremdet sie dem eigentlichen Zweck.

[10.1] Opfer und Sakrament im lateinischen und griechischen Kanon.

[10.2] Das Konzil von Nicaea, Irenaeus und Epiphanios über Sakrament.

[10.3] Augustin über Sakrament. Die gebildeten Kirchenväter lehnten Verdienst, Zuwendung, Notwendigkeit der Handlung des Priesters und Wirksamkeit auch ohne Kommunikanten ab.

[11] Auf das Vorhalten der einhelligen Meinung der katholischen Kirche wird entgegnet, man bleibe bei den Überzeugungen der gebildeten Kirchenväter und beim Wesen des Ritus, menschliche Zusätze seien nicht katholisch.

[12] Zusammenfassung der [evangelischen] Überzeugungen und Motive.

[13.1] Kritik am Kanon, der Opfer und Zuwendung stärkt.

[13.2] Eine Interpretation wäre spitzfindig, überflüssig und widersprüchlich. Die Zuwendung ist unhaltbar.

[13.3] Die Zuwendung der Verdienste Christi geschieht durch den eigenen Glauben beim Empfang. Im Evangelium wird ein Opfer für andere nicht erwähnt. Das Opfer wurde von der alten Kirche nur als gemeinsame Danksagung verstanden.

Fundort:
CR 7, 234-247 Nr. 4425 (239 Z. 11: quisque; 244 Z. 3: voluntati; Z. 8: petimus; 247 Z. 14: Praeterea). ‒ MBW.T 18.
Datierung:
Datum: Von CR im Anschluß an die Acta Synodica auf den 16. 12. 1548 datiert. Die Abschrift im Anhaltischen SA (Frankfurt/Main BA, vorher Göttingen SAL, GAR 54VII, p. 153-167) ist aber mit der Bemerkung versehen, daß nicht dieses, sondern ein anderes Schriftstück, also wohl das in demselben Aktenfaszikel abschriftlich überlieferte Gutachten (ebda. p. 1-6) MBW 5384 auf der Jüterboger Konferenz überreicht wurde. Beide Schriftstücke gehören jedenfalls in dieselbe Zeit, denn sie enthalten größere wörtlich übereinstimmende Passagen. Außerdem setzen sich beide mit dem vom Augsburger Interim gebrauchten Begriff „sistere“ auseinander. Innere Gründe sprechen dafür, daß 5343 eine Vorarbeit, 5384 die endgültige Fassung ist. 5384 ist kürzer, straffer gegliedert, meidet Wiederholungen, ist weniger polemisch und läßt den direkten Bezug auf das Interim fallen. Wenn also 5343 nicht in Jüterbog übergeben wurde, dann ist es am ehesten die Antwort M.s auf die Abhandlung von Julius Pflug über das Meßopfer (5305). Am 24. 10. 1548 berichtet M. dem Fürsten Georg von Anhalt, daß er daran arbeitet. In 5343 folgt M. noch genau der Gliederung der Pflugschen Abhandlung: Meßopfer — Kanon, während in 5384 der Kanon in die Gesamtdarstellung einbezogen ist. Abwegig ist die Zuordnung zur Meißner Konferenz (⇨ 5200ff) in der Abschrift: Nürnberg StB, Strob. Ms. 35, f. 141r-146r.

Normdaten