M. an Franz Burchard [in Weimar]. - [Nordhausen, 28. Juni 1547]

[1] Allenthalben werden mit [Kf. Johann Friedrich von Sachsen] sympathisierende Geistliche samt Familie vertrieben und suchen Zuflucht in den Ursprungsgemeinden der [Reformation]. B. möge freie Pfarreien vor allem mit solchen Exulanten besetzen.

[2] Der Überbringer Johannes Heller [Hell] aus Nassau [⇨ 4790], Wittenberger Magister [⇨ 4008], stand in der Gft. Schwarzburg im Kirchendienst. [Johannes] Lang [⇨ 4764] und M. kennen und schätzen ihn.

[3] Am Geburtstag des gefangenen Hz. Johann Friedrich von Sachsen, den Gott trösten und befreien möge.

Fundort:
CR 6, 556 Nr. 3896; F. W. Schirrmacher, Briefe und Acten (1876), S. 377 mit der Fortsetzung S. 374 Z. 4 [H 2193]. ‒ MBW.T 16.
Datierung:
Datum: Jahr wie 4764 und 4790. Der gefangene Kf. wurde zwar am 30. Juni 1503 geboren (Mentz, Johann Friedrich 1, 2), wie auch Paul Ebers Calendarium historicum angibt. Aber am 15. Mai 1547 war M. der Meinung, sein Geburtstag fiele auf den Todestag Alexanders des Großen, den er wie auch Eber auf den 28. Juni legte (⇨ 4742.4). H. Weissenborn, Philipp Melanchthon's Briefwechsel über Gründung der Universität Jena (1848) [H 1820], bringt (außer Übersetzungen aus dem CR) S. 4-9 vier vorgeblich ungedruckte Briefe von Franz Burchard an M. (Nr. 3 und 5) und an Kf. Johann Friedrich (Nr. 6) und von M. an ihn (Nr. 4), ebenfalls in deutscher Übersetzung; die Vorlagen seien ihm aus einer Briefsammlung (der heutigen FB) in Gotha von J. T. L. Danz mitgeteilt worden. Diese vier Briefe sind undatiert, handeln aber von der Vorbereitung der am 19. 3. 1548 eröffneten Hochschule in Jena, und da der 11., 12. und 19. Juni als naheliegende Termine genannt sind, ist die Datierung „Juni 1547“ indiziert. Zuerst (Nr. 3) lädt B. im Auftrag Johann Friedrichs d. Ä. M. zu einer Unterredung über die Errichtung einer neuen Universität ein, wozu M. nach Weimar oder zu B. nach Oberweimar kommen solle, wobei B. voraussetzt, daß sich M. ohne festen Aufenthalt im Asyl eines Fürsten befindet. B. behandelt die Sache sehr vertraulich und stellt M. anheim, dem Überbringer Daniel Meyer, einem (Weimarer) Schreiber, mündlich anzuvertrauen, was er nicht niederschreiben wolle. M. in seinem Antwortschreiben (Nr. 4) begrüßt den Plan, lehnt den Ort Weimar ab und schlägt als geheimen Treffpunkt Michael Meienburgs Haus in Nordhausen vor, erklärt sich bereit, dorthin zu kommen, und überläßt B. den Terminvorschlag. B. (Nr. 5) wollte am 19. Juni in Nordhausen eintreffen; er habe für diesen Tag beider Ankunft dem Ratsherrn Meienburg angekündigt. Er teilt nun auch schon mit, daß auf Befehl des gefangenen Fürsten von dessen Söhnen Jena als neuer Studienort gewählt wurde und dort schon mehrere der aus Wittenberg ausgewanderten Lehrer und Studenten eingetroffen seien, namentlich Johannes Stigel. Schließlich gibt es noch einen Brief B.s an den Kf. (Nr. 6), worin B. meldet, daß er des Kf. Befehl am 11. und 12. Juni ausgeführt und mit M. über die neue Universität bei Meienburg in Nordhausen gesprochen habe. M. halte eine Universitätsgründung zwar für verfrüht, aber Jena für den geeignetsten Ort, wolle selbst jedoch keinen Ruf annehmen. B. nimmt an, weil er auf Wittenbergs Eröffnung hoffe und weil Flacius in Jena sei. Zumindest die letztere Angabe erweckt Zweifel an der Authentizität dieses Briefes. Flacius verbrachte die Kriegszeit in Braunschweig (⇨ 4456; ⇨ 4484; ⇨ 4873.2) und kehrte dann nach Wittenberg zurück, wo er noch am 1. 3. 1549 M.s Förderung genoß (⇨ 5466). Erst dann kam es zum Bruch. Er ging nach Magdeburg; viel später, am 27. 4. 1557, kam er nach Jena, vgl. K. Heussi, Geschichte der theologischen Fakultät zu Jena (1954), 32-35. Aber auch die anderen Angaben lassen sich nicht mit den echten Briefen dieser Zeit in Einklang bringen, ob man nun das Gespräch zwischen B. und M. mit Nr. 5 auf den 19. Juni oder mit Nr. 6 auf den 11. und 12. Juni setzt. M. befand sich die ganze Zeit in Nordhausen. Am 9. Juni dankt er Hz. Johann Friedrich d. M. für eine Anfrage wegen der Übernahme einer Lehrtätigkeit (4774). Von einer geheimen Unterredung an einem dritten Ort — der auch noch Nordhausen sein soll — ist überhaupt nicht die Rede, vielmehr antwortet M. am 16. Juni dem schwarzburgischen Kanzler Apollo Wigand auf eine Frage nach diesen Verhandlungen mit dem Weimarer Hz. (4782). Die Antwort der Weimarer Hzz. vom 21. Juni (4787) enthält nicht die geringste Andeutung einer Verhandlung mit B., der ja vorgeblich im Auftrag seiner Fürsten mit M. korrespondierte. Am 23. Juni stellte M. den Hzz. seinen Besuch in Weimar in Aussicht (4788), was er B. angeblich abgeschlagen hatte. Am 10. Juli war er dann wirklich dort (⇨ 4800). Von B. weiß M. am 19. Juni, daß er in seine Heimat zurückgekehrt ist; seine Frau und Familie befanden sich bis zu diesem Tag in Nordhausen, offenbar zum Schutz vor den Kriegsereignissen (4783.3; daß B. gemeint ist, geht eindeutig aus 4792 hervor). Wenn B.s Rückkehr nach Weimar erwähnenswert ist, so muß sich dies auf eine längere Abwesenheit beziehen. Tatsächlich war B. kursächsisches Mitglied der von November 1546 bis April 1547 bezeugten Gesandtschaft des Schmalkaldischen Bundes in Frankreich und in England (Pol. A. Hessen 1, 578 Nr. 921; Mentz, Johann Friedrich 3, 70 und 72 Anm. 1), dürfte also erst Mitte Juni, als er seine Familie nach Weimar kommen ließ, dorthin zurückgekehrt sein. Nach alledem sind diese von Weissenborn publizierten Briefe Nr. 3-6 Fälschungen, deren Angaben nicht übernommen werden dürfen, wie das z. B. bei Mentz, Johann Friedrich 3, 251 und bei F. Schneider (wie 4800) geschehen ist. (Der 19. Juni als Konferenztermin ist offenbar der mißverstandenen Stelle MBW 4783.3 entnommen.)

Normdaten
Personen:

Alexander der Große: http://d-nb.info/gnd/118501828

Burchard, Franz: http://d-nb.info/gnd/117160997

Eber, Paul: http://d-nb.info/gnd/118681524

Flacius, Matthias: http://d-nb.info/gnd/118533649

Johann Friedrich d. Ä. von Sachsen: http://d-nb.info/gnd/118712373

Johann Friedrich d. M. von Sachsen: http://d-nb.info/gnd/100031900

Lang, Johannes: http://d-nb.info/gnd/122265505

Meienburg, Michael: http://d-nb.info/gnd/130378453

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485

Stigel, Johannes: http://d-nb.info/gnd/104318864

Wigand, Apollo: http://d-nb.info/gnd/140900098