M. an einige Evangelische in Venedig. - Leipzig, [Anfang Januar] 1539

[1] M. hat vor einem Jahr [⇨ 1981] den [Michele] Braccetto schätzen gelernt, der aber schnell in seine Heimat [Venedig] mußte und nun, im Winter zurückgekehrt, die von den Adressaten erfahrene Hilfe rühmt.

[2] Er berichtete zu M.s Freude von dem Verständnis hervorragender Männer [Venezianische Senatoren?] für die [in Deutschland] durchgeführte Reform der kirchlichen Mißbräuche, die mit dem Ablaßstreit begann und unter Verhinderung von Aufruhr erfolgte.

[3] In der Lehre wurde gegen die vom Teufel veranlaßten jungen Irrlehren die Reinheit der alten Kirche wiederhergestellt.

[4] Die Fehler in der Kirche sind unleugbar und wurden schon von Gerson und Augustin beklagt.

[5] Die für das politische Zusammenleben unerläßliche Tolerierung des Bösen findet in der Kirche an der Reinheit der Lehre ihre Grenze.

[6] Demgemäß wurde die Lehre von der Buße, der Unterschied von Gesetz und Verheißungen des Evangeliums, von den Verdunkelungen der Scholastiker gereinigt, der Gottesdienst nach dem Vorbild der alten Kirche wiederhergestellt. M. verweist auf seine Loci [⇨ 1555].

[7] M. verteidigt die Notwendigkeit der [Reformation] und die Meinungsfreiheit in der Kirche (Astyages und Harpagos [⇨ 2227.1]), wie sie auch in Venedig herrscht.

[8] Das dort verbreitete Buch [De Trinitatis erroribus oder Dialogi de trinitate, bei Johannes Setzer in Hagenau 1531 und 1532 erschienen; vgl. MBW 1305.3 und 1351.1] des Servet erneuert aber den längst und auch in M.s Loci [CR 21, 262f] verurteilten Irrtum des [Paul] von Samosata über Christologie [und Trinität]. M. fordert die Adressaten zu seiner Bekämpfung auf, ungeachtet der Vernunftwidrigkeit der schriftgemäßen kirchlichen Lehre.

[9] Das Zeugnis der Kirchenväter.

[10] Gegenargumente.

[11] Wachsamkeit gegen den Teufel und die seit Anfang der Welt verbreiteten Irrtümer.

[12] Schluß.

Fundort:
CR 3, 745-750 Nr. 1831. ‒ MBW.T 8.
Datierung:
Datum: Laut § 1 im Winter, also Anfang Januar (⇨ 2134; ⇨ 2138). — Die Echtheit wurde vor allem von K. Benrath bestritten: ZKG 1 (1877), 469-471 [H 2196]; ThStKr 58 (1885), 9-12 [H 2311]. Sein Hauptargument ist das Dementi M.s gegenüber dem Gesandten der Republik Venedig Francesco Contarini, das dieser am 29. 3. 1541 der Signoria meldete. Danach bestritt M., das 1539 publizierte (Druckbeschreibung: Clemen, Beiträge, 1913, 11) Schreiben „ad Senatum Venetum“ verfaßt zu haben, billigte aber seinen Inhalt. Dem steht entgegen, daß der Brief seit 1541 in den Ausgaben der Declamationes M.s ediert wurde, allerdings unter der Überschrift „ad Venetos quosdam Evangelii studiosos“, und daß M. genau 20 Jahre nach der Abfassung diesen Brief erwähnt als „an etliche zu Venedig“ geschrieben (CR 9, 763 Nr. 6705). Das Dementi 1541 dürfte sich also nur darauf bezogen haben, daß M. nicht an den Senat geschrieben hat, sondern daß diese Adresse von dem fremden Editor (der Druck erschien bei Hieronymus Formschneider in Nürnberg) gewählt wurde, um dem Brief ein größeres Gewicht zu verleihen. Wenn diese Einschränkung in der Relation des Gesandten nicht deutlich wurde, so ist zu bedenken, daß M. gegenüber dem Vertreter der Regierung die wahren Adressaten — dissidente Untertanen oder vielleicht sogar Senatoren! — nicht preisgeben konnte.

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