M. an Friedrich Staphylus [in Königsberg]. - [Wittenberg, 1.] Mai 1551

[1] Paulus und die ganze Schrift bezeugen, daß Sündenvergebung, Zurechnung der Gerechtigkeit, Heiligung und Seligkeit durch das Verdienst des Sohnes Gottes bewirkt werden, der wesenhaft gerecht ist.

[2] Wenn [Andreas Osiander] die wesentliche Gerechtigkeit ohne dieses Verdienst nennt, so sagt er nicht genug.

[3] Wenn er vom wesentlichen Leben spricht, meint er auch das geschaffene Leben. Wie ungeschaffenes und geschaffenes Leben so gibt es eine unbewirkte und eine bewirkte Gerechtigkeit. Es gibt noch viele andere Unklarheiten in [Osianders] Auslegung von Psalm [70/71, 16, →Seebaß, Werk 49 Nr. 364; vgl. Von dem einigen Mittler (⇨ 6232.3), Bl. S 4bff].

[4] Folgendes kann zugestanden werden: Wir sind gerecht durch das Verdienst des Sohnes, dessen wesentliche Gerechtigkeit in uns die Gerechtigkeit bewirkt, wobei uns das Verdienst des Sohnes zugerechnet wird.

[5] Mit der Formel „extra nos“ wird nicht die Einwohnung des Sohnes bestritten, sondern Luther meint damit, daß der Rechtfertigungsgrund nicht in unseren Eigenschaften liegt.

[6] Viele Fragen hat M. wegen der Jüngeren und Ungebildeten übergangen, die er aber gern um des Kirchenfriedens willen mit [Osiander] besprechen möchte. Segen und Gruß. M. stellt eine Veröffentlichung in Aussicht [6294].

Fundort:
Abschriften: Berlin SAPK, ehemals SA Königsberg, HBA, J 2, Kasten 967 und Kasten 973 Epistolae theologorum quorundam, f. 6r-8r; Regest: M. Stupperich, Osiander in Preußen (1973), 184 mit 175; vgl. auch W. Möller, Andreas Osiander (1870, Repr. 1965), 441f mit 551f Anm. 90. ‒ MBW.T 21.
Datierung:
Tagesdatum: Gleichzeitig mit 6072 und 6075f abgegangen.
Nachtrag:
§ 3 Vorlesung über Psalm 70, 16: Osiander-GA 9 (1994), 610-617 Nr. 452.

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