M. an Alexius [Naboth in Wittenberg].
- [Wittenberg, ca. Mitte 1550]
Eine Gesandtschaft des Rats von Crossen ist anwesend, um einen Prediger zu gewinnen. N.s Name wurde genannt. M. fragt, ob er bereit ist.
Fundort:
W. Krag: Zentralblatt für Bibliothekswesen 42 (1925), 7 [H *3255].
‒ MBW.T 20.
Datierung:
Datum: Das in ein Stammbuch eingeklebte Autograph ist ein kurzes Billet. Der Adressat befindet sich zweifellos am gleichen Ort wie M., der ihn mit „doctissime“ anredet. Die Predigerstelle in Crossen (auch Krossen) an der Oder (heute Krosno Odrzańskie) wurde seit 1537 mit Wittenberger Hochschulabsolventen bzw. Ordinanden besetzt. Laut O. Fischer, Evangelisches Pfarrerbuch für die Mark Brandenburg, Bd. 1 (1941), S. 210 (vgl. Hannemann [wie 5609] S. 483ff) amtierten: 1537-1542 Heinrich Hamme (⇨ 6117 u. ö.); 1542-1544 Paul Kren (⇨ 4437; ⇨ 4700; WO Nr. 445); 1544-1548 Johannes Birkholz (am 10. 4. 1541 immatrikuliert und schon am 20. desselben Monats für seine Heimatstadt Cottbus ordiniert: WO Nr. 281). Am 27. 4. 1548 wurde Magister Martin Schernigk aus Bunzlau (alias Tschernack und Tesernicus) für diese Stelle ordiniert (WO Nr. 944). Fischer l. c. nimmt an, daß er bis 1552 in Crossen blieb. Doch schon am 20. Juli 1550 mußte der Rektor der Universität Wittenberg, Johannes Forster, zu seinem Begräbnis einladen; er wohnte damals in Wittenberg: Scripta publica 1, Bl. 314a-b. Die Crossener Predigerstelle wurde 1552 mit Simon Musaeus besetzt, der zuvor Pfarrer in Fürstenwalde war; auch er hatte u. a. in Wittenberg studiert (Sommersemester 1536 als „Simon Muslerus Vuethoniensis“ [= Vuethouiensis = aus Vetschau] eingeschrieben), wo er dann 1554 zum Dr. theol. promoviert wurde, um Nachfolger des Ambrosius Moibanus in Breslau zu werden. Nach Crossen kam Christoph Stymmel (⇨ 6281 u. ö.), der am 23. 9. 1551 in Wittenberg für Lübbenau ordiniert worden war (WO Nr. 1193). Auch sein Nachfolger Johannes Meyer 1556-1557 war Wittenberger Student gewesen. Dann folgt 1557-1560 ein nicht näher bekannter Christoph NN. Da kein Alexius als Prediger in Crossen nachweisbar ist, allenfalls zwischen Schernigk und Musaeus vermutet werden könnte, ist nun zu prüfen, ob ein in Wittenberg lebender Alexius für das Angebot aus Crossen in Betracht kommt. Alexius Crosner (⇨ 1194) scheidet von vornherein aus. Alexius Bresnitzer wurde am 25. 5. 1541 zum Diaconus in Crimmitschau ordiniert (WO Nr. 302), wechselte 1543 als Pfarrer nach Langenreinsdorf und 1546 nach Altenburg, wo er 1554 zum Superintendenten aufstieg (WAB 14, 228 Anm. 1). Ihm kann M.s Brief also nicht gelten. Alexius Schultz (⇨ 5853.4) wurde am 20. 8. 1549 Wittenberger Magister (Köstlin 1891, S. 8) und am 12. 3. 1550 für Meißen ordiniert (WO Nr. 1062). Wenn Schernigk seine Crossener Stelle vor dem März 1550 aufgegeben hat, könnte sie dem aus Löwenberg in Schlesien stammenden Schultz angeboten worden sein. Er ging aber nach Meißen (⇨ 5853.4), wo er 1561 auch Superintendent und Domprediger wurde. Größere Wahrscheinlichkeit spricht für Naboth (⇨ 5623; über ihn: Haussleiter, Schule S. 26-33+42-69, dazu P. Drews: ThStKr 70, 1897, 835-837; WA 48, 229f), der seit 17. 10. 1541 in Wittenberg studierte, wo er am 11. 9. 1543 den Magistergrad erwarb (er muß also zuvor woanders studiert haben) und am 17. 8. 1544 in die Artistenfakultät aufgenommen wurde. Er war Hausgenosse Luthers (CR 24, 749), auf dessen Tochter Magdalena er ein Grabgedicht verfaßte (Schottenloher Nr. 10915). 1549/1550 schrieb er über die kirchenpolitische Lage in Wittenberg vertrauliche Berichte an Mgf. Johann von Brandenburg-Küstrin (Merseburg ZSA, Rep. 13 Nr. 5a2 Fasz. 5). Am 9. 11. und 21. 12. 1549 disputierte er unter dem Vorsitz M.s, am 18. und 21. 10. 1550 und am 7. 3. 1551 präsidierte er selbst und verfaßte auch die Thesen. Auf dem Gipfel seiner akademischen Laufbahn angelangt, wollte er Schwiegersohn M.s werden und versuchte, seinen angeblichen Anspruch gerichtlich durchzusetzen (bei ⇨ 5803). Damit war das gute Verhältnis zu M. zerstört. Diesem wurden abfällige Äußerungen N.s über ihn zugetragen (W. Meyer, M.s Vorlesung über Cicero's Officia 1555, Göttingen 1895, S. 27 [H 2471]). Die Disputation vom 7. 3. 1551 ist das letzte derzeit bekannte Datum seines Lebens. Später wurde sein Name in der Fakultätsmatrikel getilgt (Köstlin 1890, S. 15 Anm. 10 und S. 21 Anm. 5). Die Stelle in Crossen hat er nicht angenommen. Doch könnte sie ihm durchaus angeboten worden sein, möglicherweise schon 1544 oder 1548, wahrscheinlicher nach Tschernacks Resignation, wobei unbekannt ist, wie lange vor seinem Tod dieser nach Wittenberg zurückgekehrt war. Nur vermutungsweise können wir also 5841 etwa in die Mitte des Jahres 1550 setzen. Naboth mochte damals auch wegen seiner Beziehungen zu Mgf. Johann, dem Landesherrn der Stadt Crossen, vorgeschlagen worden sein. Für M. war dies gewiß eine willkommene Gelegenheit, dem entfremdeten Schüler einen guten Abgang zu verschaffen. Naboth hat sie nicht wahrgenommen. Wohin er schließlich gegangen ist, wissen wir nicht.
Personen:
Bresnitzer, Alexius: http://d-nb.info/gnd/119629585
Crosner, Alexius: http://d-nb.info/gnd/128693517
Forster, Johannes: http://d-nb.info/gnd/11895623X
Hamme, Heinrich: http://d-nb.info/gnd/1140613561
Johann von Brandenburg-Küstrin: http://d-nb.info/gnd/102111553
Luther, Martin: http://d-nb.info/gnd/118575449
Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485
Moibanus, Ambrosius: http://d-nb.info/gnd/123964709
Musaeus, Simon: http://d-nb.info/gnd/117187984
Naboth, Alexius: http://d-nb.info/gnd/119770806
Schultz, Alexius: http://d-nb.info/gnd/119793571
Stymmel, Christoph: http://d-nb.info/gnd/11864257X