M. an Hz. Albrecht von Preußen. Vorrede zu: Martin Luther, Tomus tertius omnium operum. Wittenberg, Hans Lufft, 1549. - Wittenberg, [vor] 1. Mai 1549

[1.1] Die öffentliche Aufbewahrung der Werke glaubwürdiger Autoren für die Nachwelt ist in der Kirche überaus wichtig, z. B. die Traditionskette von Gregor dem Wundertäter, Irenaeus, Euseb bis Basilius über die Trinität.

[1.2] In Alexandria, Caesarea und Antiochia wurden einst die Schriften der Apostelschüler sorgfältig aufbewahrt. In Europa war man nachlässiger. Jetzt soll man es besser machen, wozu öffentliche Mittel erforderlich sind.

[2.1] Viele verwerfen alle Auslegungen und lassen nur die Quellen gelten. Denn die Bibel enthält die ganze Lehre der Kirche und ist eindeutig, die meisten Auslegungen dagegen sind voller Verderbnisse.

[2.2] Dies ist richtig. Origenes, Thomas [von Aquin] und deren Nachfolger irrten ganz von Paulus ab; Augustin machte aus Unkenntnis der hebräischen Sprache zahlreiche Fehler bei den Psalmen. Dennoch ist wegen der Fehlerhaftigkeit der Exegeten nicht die Exegese überhaupt abzulehnen.

[3.1] Richtlinien für die Auslegung.

[3.2] Gott setzte das Lehramt ein und bewahrt es.

[3.3] Der Diener des Evangeliums soll keine neue Lehre schaffen, sondern das Wort Gottes bewahren, das er nicht wie die Arithmetik und Philosophie aus der Natur und aus Deduktionen empfängt, sondern aus dem Lesen der Bibel.

[3.4] Sodann muß er lehren und trösten. Er soll die Lehre der Bibel zusammenfassen, die Stilgattung erkennen, die einzelnen Teile, Gesetz und Evangelium sowie politische und kirchliche Lehre unterscheiden, die Zwecke der einzelnen Lehrstücke durchschauen, Grammatik und Dialektik beherrschen, Buß- und Gebetsübungen kennen und vom Glauben erleuchtet sein.

[4] Mißverständnisse von Bibelstellen und deren richtige Auslegung:

[4.1] [Kaiser] Julians von [Mt 5, 40],

[4.2] eines Ungelehrten von [Joh 1, 1],

[4.3] des Origenes von [Röm 3, 21].

[5.1] Das geistliche Rüstzeug des Exegeten.

[5.2] Auslegung ist nötig, aber als Grammatik des Wortes Gottes. Nicht auf den Ausleger, sondern auf das Wort Gottes stützt sich der Glaube.

[6.1] Selbstherrliche Exegese des Pelagius

[6.2] und der Päpste, die sich die Gewalt der Lehrentscheidung anmaßen.

[6.3] Doch anders als beim weltlichen Recht gibt es in der Kirche keine Entscheidungsgewalt von Amts wegen, sondern die wahre Auslegung ist eine Gottesgabe und erfordert Gelehrsamkeit, Frömmigkeit, Buße und Gebet.

[6.4] Das [Rechtfertigungs]dekret des Trienter Konzils [⇨ 4631.2] verfügt mit einer Fehlinterpretation von [Pred 9, 1] den Zweifel an der Annahme in Gnade und zerstört damit die ganze Rechtfertigungslehre.

[7.1] Wichtiger noch als die Übereinstimmung von Gesetz und Richterspruch im Staat ist die angemessene Exegese der Anordnungen Gottes.

[7.2] Dazu sind die Bibelkommentare Luthers nützlich, den Erasmus von Rotterdam u. a. über alle anderen Interpreten stellten. Luthers Vorzüge und Verdienste.

[7.3] Diese Ausgabe ist Caspar Cruciger, Veit Dietrich und Georg Rörer zu danken, die Luthers Auslegungen sammelten.

[7.4] Widmung an A. (dessen Verhältnis zu Luther). Gebet.

Fundort:
CR 7, 390-399 Nr. 4523. ‒ MBW.T 19.
Datierung:
Datum: M. befand sich am 1. Mai 1549 nicht in Wittenberg, sondern in Grimma (⇨ 5516; ⇨ 5518.1). 5515 ist vor M.s Abreise um den 21. April verfaßt (⇨ 5509.3).

Normdaten