Sigismund Gelous an M. [in Wittenberg]. - Eperies, 25. Dezember 1545

[1] G. schätzt M.s Briefe über alles. Er hat schon drei erhalten und antwortete bei jeder Gelegenheit. Die Erinnerung an M. hilft ihm die Vereinsamung überwinden.

[2] M.s Ermahnung, die Trauer über das Unglück Ungarns zu mäßigen, wird durch die Realität unmöglich gemacht. Die Türken rücken täglich vor, was von einfachen Gemütern als Sieg Mohammeds über Christus verstanden wird. Obwohl eine Gesandtschaft zum Sultan nach Konstantinopel entsandt wurde [⇨ 3956.3], verwüsten die Türken das Land. Im November fielen in Somogium [Somogy] die Burgen Dombo [Dombovár], Debregest [Döbrököz], Turris Simonis [Simontornya], Tamási, Ozora.

[3] Die Taten des Verteidigers von Turris Simonis [NN].

[4] Angesichts des Versagens der Fürsten tröstet sich G. mit der Geschichte und der Bibel, mit seinem Wissen vom Wechsel der Reiche und vom Fortbestand der Kirche bei allem Leiden.

[5] Das Evangelium wird in den türkischen Gebieten frei gepredigt. G. berichtet über die Tätigkeit der ehemaligen Wittenberger Studenten Benedikt Abádi in Szegedin, Stefan Szegedi [Kis] in Ziglet [Cegled] und Emericus [Sigetinus alias Imre Eszéki] in Tolna. Die Prediger und Lehrer unterliegen keinen Einschränkungen. G. hält dies für bewußte Politik zur Gewinnung der Bevölkerung.

[6] Franciscus Picus, ein Ungar aus Szegedin, predigt in Kleinasien und Konstantinopel, vom französischen Gesandten [Gabriel de Luels, seigneur d'Aramon] und christlichen Bediensteten und Kaufleuten unterhalten. Der in Konstantinopel gefangene siebenbürgische Woiwode Stefan Mailatas [Majláth] und sein Mitgefangener Valentin Tereus [Török] hören evangelische Predigten. Er schrieb neulich an seine Gemahlin [Ursula Pemfflinger], sie solle in ihrem Gebiet die Kirchen reformieren.

[7] Siebenbürgen erholt sich vom Krieg. Doch fehlt ein Führer. [Georg Martinuzzi] kollaboriert mit den Türken. Kgn. [Isabella] schwelgt mit ihrem polnischen Gefolge. Siebenbürgen ist evangelisch außer einem kleinen Teil des Szeklerlandes und Alba Julia [Weißenburg].

[8] G. empfiehlt [die Überbringer] Daniel Koberger aus Cibinium [hier nicht Hermannstadt, sondern Klein-Zeben = Sabinov], den Sohn des Wolfgang Koberger, der mit 73 ungarischen Dukaten für drei Jahre Studium ausgestattet ist, und Josef Mexner, den Neffen der Frau des Georg Werner.

[9] G. kann nicht nach [Wittenberg] zurückkehren, sondern geht als Erzieher der Kinder des Franz Révai zwei Jahre nach Italien (für jährlich 60 ungarische Gulden bei freier Station). Danach will er seßhaft werden, wozu er M.s Rat erbittet, insbesondere für sein geplantes Medizinstudium. Im April wird G. in Wien sein. Briefe wird Veit Dietrich weiterleiten.

[10] Im Sommer ist ein Angriff des Sultans auf Ungarn zu erwarten.

[11] Gruß an Frau [Katharina] M.

[12] G. wartet auf die Rede des Lykurgos [⇨ 3993].

Fundort:
Bds. 268-272 Nr. 311; G. Bauch: Történelmi Tár 1885, S. 524-528 Nr. 18 [H *2310]; Monumenta ecclesiastica tempora innovatae in Hungaria religionis illustrantia, hrsg. v. I. Karácsonyi und F. Kollányi, 4 (1909), 448-453 Nr. 419 [H 3050 a]. ‒ MBW.T 14.
Nachtrag:
§ 6 zu berichtigen: Er schrieb neulich an seine Gemahlin [Anna Nádasdy (nicht: Ursula Pemfflinger)], sie solle ... Begründung: Die Gemahlin von Valentin Török hieß Katharina Pemfflinger (ihre Mutter und jüngere Schwester hießen Ursula). Der Briefschreiber spricht hier jedoch eindeutig über Majláth und dessen Gemahlin, Anna Nádasdy, die Schwester des Palatins Thomas Nádasdy (brieflicher Hinweis von Zoltán Csepregi, 12. Juni 2001).

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