M. an Johannes Cellarius in Dresden. Gutachten [für Hz. Moritz von Sachsen]. Dt. - Wittenberg, 1. Februar 1542

Ehemals 2868.

[Über das Schreiben des Domkapitels von Meißen an Hz. Moritz von Sachsen vom 19. 12. 1541].

[1.1] Die Bischöfe und ihr Anhang hindern mit ihrem Gezänk die Türkenabwehr. Deshalb sollte man die Eingabe des Meißner Domkapitels einfach zurückweisen.

[1.2] Das Kapitel will den [evangelischen] Prediger von Meißen [Petrus Blesanus] vertreiben und seine eigenen Predigten und Zeremonien samt seinem Kirchenregiment wieder einführen. Deshalb ist sein Gesuch abzulehnen und das Verbot des Hz. Heinrich von Sachsen aufrechtzuerhalten,

[1.3] denn die jetzige Lehre ist recht,

[1.4] Hz. Heinrich hat mit ihrer Einführung seine Aufgabe als christliche Obrigkeit erfüllt,

[1.5] und andererseits würde eine abermalige kirchliche Änderung Anstoß erregen.

[1.6] M. empfiehlt daher die Beibehaltung der jetzigen Ordnung und hofft auf die Zustimmung des Hz. Moritz von Sachsen.

[2] Gegen Einwände des Kapitels.

[2.1] Die angebotene Reform steht nach den Erfahrungen mit dem Regensburger [⇨ 2705.2.2] und dem Meißner Buch [⇨ 2225] im Verdacht, Meßopfer und Heiligendienst zu stärken. Bevor also dem Kapitel seine Rechte zurückgegeben werden, muß es seine Lehre bekennen.

[2.2] Bischöfliche Autorität und Stifte bzw. Konsistorien will auch M. erhalten.

[2.2.1] Doch sind die Stifte nicht wegen des Chorgesangs gegründet worden, sondern zur Unterstützung des Bischofs als Schulen und

[2.2.2] Gerichte. Es gab gemeinsame Gebete und Gesänge, aber erst mit Heiligendienst und Privatmesse nach Gregor [dem Großen] häuften sich die Zeremonien.

[2.2.3] Bischöfliche Autorität und Stifte zu erhalten, ist nur auf der Basis einheitlicher evangelischer Lehre möglich. Diese Lehre ist offenkundig wahr und wird wider besseres Wissen bekämpft.

[2.2.4] Bischöfe und Kapitel, die ihre Ämter richtig wahrnehmen, können auch in Zukunft Aufgaben für den Adel sein. Doch bevor in der Lehre keine Einigung erzielt ist, kann man über alles andere nicht verhandeln, wie M. auch in Regensburg sagte.

[2.2.5] Das Kapitel soll also die rechte Lehre annehmen.

[2.3.1] Das Kapitel klagt über Polemik. M. rät zum Maßhalten bei ungeminderter Schärfe in der Sache.

[2.3.2] Das Volk muß aber auch über Buße, Glauben, Gebet und Werke unterrichtet werden, wozu die Superintendenten ihre Prediger anhalten sollen.

[2.3.3] Nach M.s Meinung ist die päpstliche Abgötterei noch nicht genügend aufgedeckt.

[3] Antwort auf Fragen.

[3.1] Bedingung für die Überlassung des Kirchenregiments ist die Annahme der [CA] oder die Vorlage einer damit übereinstimmenden Reformschrift.

[3.2] Über die Fehlentwicklung der Stifte.

[3.2.1] Ursprünglich waren die Stifte Schulen und Gerichte. Nach Gregor [dem Großen] mehrten sich die Zeremonien. Nach Karl dem Großen wurden die Bischöfe reich und die Stifte sanken immer tiefer.

[3.2.2] Frühe Stifte in Deutschland als Gründungen der Apostelschüler Lucius von Kyrene, Crescens, Clemens [Romanus] und Marcus.

[3.2.3] Ausstattung durch Karolinger und Ottonen.

[3.2.4] Die offenbaren Irrtümer und Abgöttereien sind abzustellen.

[3.2.5] Nur wenige Regenten werden die Reformation durchführen.

[3.3] Die Hochstifte als Versorgungsanstalten der Armen vom Adel werden diesen durch eine Reformation nicht entzogen.

[4] Einigkeit in der Lehre ist Voraussetzung einer Reformation. Segen.

Fundort:
Ausfertigung (von Schreiberhand; Unterschrift, Adresse und kleine Korrekturen von M.): Dresden SA, Loc. 8994 Copeyen etlicher Missiven ... 1543, f. 48r-59v. ‒ MBW.T 11.
Datierung:
Datum: Das Schreiben des Meißner Domkapitels vom 19. 12. 1541 wurde von Hz. Moritz nach Einholung der Gutachten M.s und einiger Superintendenten und Räte am 8. 2. 1542 beantwortet, vgl. S. Issleib, Moritz von Sachsen als evangelischer Fürst: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 20 (1907), 21 und 30 [H 3016a]. Vermutlich verfaßte M. dieses Gutachten während seines Besuchs der Leipziger Messe Anfang Januar (⇨ 2872.1), zumal er vom 17. bis etwa 25. durch die Reise nach Naumburg (⇨ 2880) in Anspruch genommen war, vgl. R. Buchwald, Luther-Kalendarium (1929), 142f. Doch ist auch Ende Januar/Anfang Februar möglich, wofür die Erwähnung am 3. Februar in 2883.3 sprechen würde.
Nachtrag:
Datum: Die Abschrift von Johannes Ketzmann: München SB, clm 980, f. 159r-172v, bietet das Datum des 1. Februar 1542.

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