[Martin Luther, Johannes Bugenhagen, Caspar Cruciger und M.]: Gutachten [für Kf. Johann Friedrich von Sachsen in Torgau]. Dt. - [Wittenberg, Anfang November 1541]

Über die Naumburger Bischofswahl.

[1] Bei der grundlegenden Bedeutung des Bischofsstandes für den [Katholizismus], die auch im Regensburger Buch zum Ausdruck kam [⇨ 2707], wird die Aufhebung eines Bistums nicht wie die der Klöster hingenommen werden, sondern der Kaiser und andere Potentaten werden um Hilfe ersucht und ein Krieg wird auch von den Friedlichsten befürwortet werden, zumal die Verfassung des deutschen Reiches dadurch verändert würde. Schließlich werden nicht alle [Schmalkaldischen] Bundesgenossen dies als Bündnisfall anerkennen, wie sich schon in Regensburg gezeigt hat.

[2.1] In der gegenwärtigen Situation, wo das Domkapitel eine zweite Wahl ablehnt [⇨ 2834.2] und die Frage der Amtsübernahme durch Julius [Pflug] ungeklärt ist, soll es der Kf. mit der weltlichen Regierung [durch einen Stiftshauptmann] bewenden lassen und keinen Bischofsvertreter einsetzen, zumal auch vorher das Bischofsamt [durch Bf. Philipp von Freising] nicht ausgeübt wurde,

[2.2] sondern dafür ein Konsistorium errichten für Ehesachen aus ganz Thüringen und zur Superintendenz der Umgebung. Ferner sind die Pfarreien im Stiftsgebiet zu dotieren, insbesondere in Naumburg und Zeitz, wo auch Schulen fehlen.

[2.3] Predigt und Kommunion sind wie in [Kursachsen] zu halten, d. i. ohne Messe; Psalmgesänge der Domvikare sind möglich. Durch Tod freiwerdende Pfründen sind für das Konsistorium und als Stipendien zu verwenden, der Überschuß des bischöflichen Einkommens für allgemeine Zwecke und für bedürftige Adlige.

[3.1] Wenn nach Beendigung des Streits mit Julius [Pflug] eine dauerhafte Regelung möglich sein wird, so wäre zwar die Verwendung für Schulzwecke wie bei den Stiften in Wittenberg, Altenburg, Eisenach und Gotha am angemessensten, jedoch neben den Universitäten Wittenberg und Leipzig nicht erforderlich.

[3.2] [Säkularisation] durch die Fürsten ist abzulehnen. Dagegen soll der Adel funktionsgebundene Zuwendungen erhalten, wie auch Kg. [Franz I.] von Frankreich mit Papst Clemens VII. [in Marseille, ⇨ 1385.3] über die Umwandlung der Klöster in Ritterorden nach dem Vorbild Spaniens verhandelte. Doch ist eine vorbildliche Lösung schwer zu finden.

[3.3] Auch bei Reform der Mißbräuche ist die gleichzeitige Zuständigkeit für weltliche und geistliche Aufgaben nicht möglich.

[3.4] Vordringlich müssen Pfarreien, Schulen und Spitäler dotiert und das Kapitel in ein Konsistorium umgewandelt werden. Historisch lag das Bildungswesen zuerst bei den Bischöfen, dann Klöstern, schließlich Universitäten. Diese sollen von den Aufgaben der Konsistorien und [Ehe]gerichte entlastet werden.

[3.5] Bei günstiger Gelegenheit könnte ein sogenannter Bischof als Direktor des Konsistoriums und Regent des Stiftsgebiets eingesetzt werden, dessen Verhältnis zum Landesherrn und Wahlmodus noch zu regeln wären.

Fundort:
CR 4, 689-694 Nr. 2397.2; WAB 12, 332-339 mit 314f und 317 Nr. 4285 II. ‒ MBW.T 10.
Datierung:
Datum: Nach 2834, vor der dort angesetzten Konferenz vom 6. November mit dem 5. als Reisetag (⇨ 2838.3).

Normdaten
Personen:

Bugenhagen, Johannes: http://d-nb.info/gnd/118517287

Clemens VII., Papst: http://d-nb.info/gnd/118723510

Cruciger, Caspar: http://d-nb.info/gnd/118670646

Franz I. von Frankreich: http://d-nb.info/gnd/118534947

Johann Friedrich d. Ä. von Sachsen: http://d-nb.info/gnd/118712373

Karl V., Kaiser: http://d-nb.info/gnd/118560093

Luther, Martin: http://d-nb.info/gnd/118575449

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485

Pflug, Julius: http://d-nb.info/gnd/118714082

Philipp, Pfgf. bei Rhein, Bf. von Freising und Administrator von Naumburg: http://d-nb.info/gnd/100233619