M.: Gutachten [für Kf. Johann Friedrich von Sachsen in Gotha]. Dt. - [Gotha, letztes Drittel März? 1540]

Gegen Vielweiberei bei Christen.

[1.1] Weil Gott Ordnung der Geburten will, hat er alle Unzucht verboten und die dauerhafte Einehe eingesetzt,

[1.2] was von Christus bestätigt wurde.

[1.3] Lamech [der erste Digamist] sündigte also.

[1.4] Die Vielweiberei der Erzväter ist ein auf Israel beschränkter Dispens wegen der Unordnung der Natur.

[2.1] Er gilt nicht im Neuen Bund,

[2.2] denn Christus erneuerte die Ehe als leibliche Einheit und verbietet Scheidung und Wiederverheiratung.

[2.3] Unglückliche Folgen (Medea und Jason, Olympias und Philipp von Makedonien).

[2.4] Worte des Paulus.

[2.5] Die Vielweiberei ist also (unbeschadet eines Dispenses im Notfall) verboten und keinesfalls ein Adiaphoron.

[3.1] In Notfällen kann analog zum mosaischen Gesetz dispensiert werden, sofern nicht ein ausdrückliches Verbot Christi entgegensteht.

[3.2] Christus verurteilte die Scheidung, aber nicht die Vielweiberei.

[3.3] Diese war auch bei den Heiden möglich,

[3.4] und die Erzväter traf deswegen nicht der über Unzucht verhängte Fluch.

[3.5] Das Verlassen um einer anderen willen ist verboten, nicht direkt, eine andere zu heiraten.

[3.6] Dies gilt jedoch nur als Beichtrat im Notfall.

Fundort:
CR 4, 761-766 Nr. 2438. ‒ MBW.T 9.
Datierung:
Datum: Am 17. Juni 1540 erhielt Lgf. Philipp vom Kf. neben anderem ein Gutachten M.s zugestellt (Rockwell 69). Eberhard von der Tann, als Gesandter des sächsischen Kf. anwesend, berichtet, der Lgf. sei entsetzt gewesen, weil es die Einehe einschärfte (⇨ 2455). Daß es sich um MBW 2404 ohne § 3 handelt, geht aus dem Aktenbefund eindeutig hervor, vgl. WAB 9, 162-164. Da dieses Gutachten dem Lgf. erst im Juni bekannt wurde, dürfte es nach M.s Teilnahme an der Trauung in Rotenburg/Fulda (⇨ 2386) entstanden sein. Damals wurde M. mit der Ansicht des Johannes Lening und Dionysius Melander konfrontiert, die Doppelehe sei ein Adiaphoron; er widersetzte sich mündlich (⇨ 2484.1). In 2404.2.5 geht er schriftlich dagegen an, ebenfalls ein Indiz für die Abfassung nach dem 5. März 1540. Andererseits ist kaum anzunehmen, daß dieses Problem nicht erörtert wurde, als M. am 17. März zum Kf. nach Gotha reiste (⇨ 2402), zumal die Doppelehe damals schon ruchbar wurde (vgl. Rockwell 49ff). Wahrscheinlich hat M. seine Ansicht bei dieser Gelegenheit niedergeschrieben.

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