M. [an Simon Grynaeus in Basel]: Gutachten [für Kg. Heinrich VIII. von England]. - Wittenberg, 23. August 1531

[1] M. erörtert die für eine Ehe verbotenen Verwandtschaftsgrade gemäß dem mosaischen und dem bürgerlichen Gesetz, da die Dispensationspraxis der Päpste Gewissensnot verursachte.

[2] Daß die Ehe mit der Frau des verstorbenen Bruders nicht das göttliche Gesetz verletze, wird bestritten mit Lev 18, 16.

[3] Hiergegen vertritt M. die Grundsätze, daß das mosaische Gesetz soweit verpflichtend ist, wie es mit dem Naturgesetz übereinstimmt, und daß es für Christen ebensowenig heilsnotwendig ist wie für die Menschen vor Mose, die durch das Evangelium, die Glaubensgerechtigkeit, das Heil erlangten.

[4] Zu der kritischen Rückfrage, ob allen Verwandten die Ehe erlaubt ist, wird unterschieden zwischen natürlichen Schranken (Eltern, Geschwister) und von der Natur abgeleiteten vernünftigen Verboten, die in der Geschichte wechseln wie die Leviratsehe, und die dispensabel sind, insbesondere bei einer bestehenden Ehe, auch nach dem römischen Recht.

[5] Anwendung der Grundsätze [§ 3] auf die Leviratsehe.

[6] Nach alledem kann Kg. [Heinrich VIII.] von England seine Ehe mit der Frau seines verstorbenen Bruders [Arthur] guten Gewissens weiterführen, was auch die Rücksicht auf seine Frau [Katharina von Aragon] und Tochter [Maria Tudor] verlangt.

[7] Zurückweisung zweier Einwände.

[8] Um den Fortbestand der Dynastie zu sichern, wäre die Polygamie als Ausnahme zu vertreten,

[9] wofür auch ein päpstlicher Dispens eingeholt werden könnte, der aber überflüssig ist.

Fundort:
CR 2, 520-527 Nr. 1000 mit 2, 1038; vgl. O. Vogt: ThStKr 58 (1885), 725f und 728-731. ‒ MBW.T 5.

Normdaten
Personen:

Arthur, Prinz von England: http://d-nb.info/gnd/119048914

Grynaeus, Simon: http://d-nb.info/gnd/11690240X

Heinrich VIII. von England: http://d-nb.info/gnd/118548204

Katharina von Aragon: http://d-nb.info/gnd/118721135

Maria Tudor: http://d-nb.info/gnd/118640917

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485