M. [an den Leser]. Vorrede zu: J[ohannes] F[unck], Anleitung zum vorstandt im buch das man nennet Apocalypsis, das ist offenbarung Johannis ... Wittenberg, Zacharias Engelhaubt, 1559. Dt. - [Wittenberg], 25. November 1558

[1.1] Weissagungen werden begehrt aus Vorwitz und zum Trost. Der Vorwitz kommt aus der bösen Natur der Menschen, wodurch sie eher nach Unnötigem gaffen als die Gebote Gottes achten gemäß Sirach 3, [23-26].

[1.2] Gott hat Gebote, zeitliche und ewige Strafen, andererseits das Evangelium, Gnade und ewige Seligkeit geoffenbart. Diese Lehre ist rein zu bewahren und nicht, wie Ketzer und Päpstliche es tun, in Abgötterei zu verkehren.

[1.3] Rechte Erkenntnis ist möglich, denn Gottes Rede ist klar. Was Gott jedoch nicht geoffenbart hat, danach zu grübeln, ist vergeblich, z. B. ob Frankreich oder Burgund siegen werden. Krösus wurde durch einen dunklen Spruch zum unseligen Krieg gegen Kyros verleitet. So werden oft Könige und Fürsten durch Magie und falsche Propheten verführt.

[2.1] Nützliche Weissagungen Gottes über die Kirche, ihre Kleinheit, Kreuz, Verfolgung, Spaltungen, die Endlichkeit des irdischen Lebens, die Auferweckung der Toten, [Jüngstes] Gericht, ewige Freude und ewige Strafe.

[2.2] Offenbarungen Gottes über Leibliches. Dem Abraham kündigte Gott die 400jährige Knechtschaft der Israeliten in Ägypten an, aber auch den Auszug nach Kanaan, dem Daniel die Verfolgung durch Antiochus und ihr Ende.

[2.3] Demselben Daniel wurden die Monarchien, die Zeit der Menschwerdung des Gottessohnes und das Ende des sterblichen Lebens verkündigt.

[3.1] Wichtig und ausreichend sind die allgemeinen Weissagungen Gottes über Irrtum, Abgötterei, Spaltungen und Verfolgung in der Endzeit. Sie sollen uns beim Evangelium erhalten. Doch folgt der größere Teil der Menschheit Mohammed und dem Papst, obwohl nach den Schriften der Propheten und Apostel und den Bekenntnissen die abgöttische Lehre zu erkennen ist.

[3.2] Neben diesen allgemeinen Weissagungen hat Gott auch besondere, mitunter dunkle, gegeben über bestimmte Zeiten der Spaltungen und Herrschaften, z. B. in der Apokalypse. Diese sind aus den allgemeinen zu verstehen. Hierzu sind Kommentare von Gelehrten nützlich.

[4.1] Auch nach der Zeit der Apostel hat Gott Offenbarungen gegeben, z. B. durch Methodius Mohammed und das Reich der Sarazenen und Türken geweissagt.

[4.2] Vor 80 Jahren hat Johannes Hilten in Eisenach in einer noch existierenden Handschrift für das Jahr 1516 die Reformation der Kirche vorausgesagt. In diesem Jahr begann Martin Luther über Gnade, Glauben und Rechtfertigung gegen die Lehre der Mönche [Scholastiker] von Zweifel und Werkheiligkeit zu lehren. 1517 erschienen seine Ablaßthesen.

[4.3] Für das Jahr 1600 hat Hilten die Herrschaft der Türken (Gog und Magog) in Italien und Deutschland und Verfolgung der christlichen Kirche vorhergesagt.

[4.4] Könige, Fürsten und Prädikanten mögen einträchtig sein zur Abwehr, und alle sollen um Linderung der Strafen beten. Gedenktag Tempelweihefest.

Fundort:
Kein Exemplar nachgewiesen. Erwähnt von: Wilhelm Bousset, Die Offenbarung Johannis (Krit.-exeget. Kommentar zum Neuen Testament, hrsg. v. Heinr. Aug. Wilh. Meyer, 16. Abt.), 5. Aufl. Göttingen 1896, S. 94; 16. Aufl. S. 84. Ferner von: Le Roy Edwin Froom, The Prophetic Faith of Our Fathers, Bd. 2, Washington, D.C. 1948, S. 821 mit S. 309. Ein von Michael Sachse, Pfarrer und Hofprediger zu Gräfentonna und Ohrdruf, herausgegebener Nachdruck erschien 1596 bei Johann Spieß in Frankfurt/Main; darin ist die Vorrede M.s nicht enthalten [vorh.: Wolfenbüttel HAB, 451.13 Theol. (1); vgl. VD 16, F 3376]. In Berrien Springs, Michigan, Andrews University, James White Library, heritage room, Advent Source Collection, Accession No. 3513, befindet sich aus dem Nachlaß von Froom die Fotokopie einer Abschrift des 16. Jh.; hieraus ist das Regest erstellt. — Ungelöste Probleme sind der sonst nicht bekannte Drucker und der Grund, warum M. für den Osiandristen Funck (⇨ 8425.4; ⇨ 8543.8.2) eine Vorrede verfaßt haben sollte. Vielleicht ist sie trotz melanchthonischer Diktion und Gedanken eine Fälschung.
Nachtrag:
Fundorte: In Zweibrücken, Bibliotheca Bipontina, T 821, ist die in MBW Bd. 8 nach einer modernen Abschrift verzeichnete Ausgabe von 1559 mit M.s Vorrede vorhanden. Es fehlt der angebliche Druckort Wittenberg; im Titel ist ‚verstandt‛ statt ‚vorstandt‛ zu lesen. Zacharias Engelhaubt erscheint hier nicht als Drucker, sondern er hat als Herausgeber des anonymen Apokalypsenkommentars eine Vorrede mit dem Datum des 23. Juni 1558 beigesteuert. Ein anonymer Druck »Apocalypsis ...« des Jahres 1561, [irrtümlich] erschlossener Verfasser ist Engelhaubt, vorhanden in Nürnberg StB, Strob. 710 8o, und in Wolfenbüttel HAB, 251.9 Theol. 4o (VD 16, E 1249), enthält ebenfalls die Vorrede Melanchthons. Eine Ausgabe des Jahres 1558, Wolfenbüttel HAB, C 237.4o Helmst. (VD 16, E 1248), hat M.s Vorrede nicht.

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