Martin Cellarius an M. [in Wittenberg]. Offener Brief in: Johannes Eck, Excusatio ... [Ingolstadt, Andreas Lutz, Ende? 1519], Bl. A 1b-B 1a. - Ingolstadt, [August 1519]

[1] Die von M. erfahrene Liebe und seine Jugend verbieten es C., mit M. zu rechten. Die gemeinsame Studienzeit gibt ihm die Gewißheit, daß auch jetzt ihre Ansichten nicht völlig auseinandergehen, und daß einer für den anderen einstehen muß.

[2] Es ist unerträglich, daß der gemeinsame Freund Eck diffamiert wird, derselbe, den M. als Tübinger Professor für schöne Literatur zu Recht aufs wärmste empfohlen hat.

[3] Der unter M.s Namen erschienene Brief [59] kann also nur echt sein, wenn M. sich selbst untreu geworden ist, wenn er über Dinge urteilt, von denen er nichts versteht; unglaublich, daß M. mit dem hochgelehrten Eck, der ihm einen Ruf nach Ingolstadt verschafft hat, dermaßen umspringt.

[4] Der stilistische Gegensatz zu den anderen Briefen M.s zeigt ebenfalls, daß dieser Brief unecht ist oder aber M. nicht bei sich war, Luthers Neuerungen aus böhmischem Dunst und seine Feindschaft gegen die Scholastiker in der Verrücktheit eines Philosophen oder Dichters durchspielend.

[5] Allerdings hörte C., M. sei ein Feind der Philosophie geworden, schon bei ihrer Erwähnung gehe er hoch. C. traut ihm, der mit Franz Stadianus den Aristoteles wiederherstellen wollte, solche Schmach nicht zu. Ihr Vorhaben wird so leicht getan wie gesagt sein, wenn dieser grundgelehrte Mann mithilft, der zwar keine Scholastiker (einschließlich Karlstadt), aber die griechischen Philosophen sowie Mathematik und Musik beherrscht, wenn auch ohne Griechisch und Hebräisch, nur auf Latein und Schwäbisch.

[6] C. wendet sich nun ernsthaft an M. und fordert ihn auf, zu den unter seinem Namen verbreiteten Schmähschriften gegen den auch um ihn verdienten Eck Stellung zu nehmen, wobei er an M.s Urteile über die Gegner Reuchlins, Luthers und Erasmus' erinnert.

[7] Seine Liebe zu M., die er im Sinn des platonischen Gastmahls versteht, hat C. zu diesem Brief getrieben.

[8] Mit Seelenspiegel und Höhlengleichnis verspottet C. die Übermenschlichkeit Luthers und M.s,

[9] und eine ekstatische Weltreise würde M. und Karlstadt so wenig in Verlegenheit bringen wie Eck, denn M. glaubt, aufgrund seiner klassischen Bildung überall mitreden zu können.

[10] C. findet verbindliche Worte über Luther, Eck und Karlstadt und bittet M. um Antwort.

Fundort:
Vgl. K. Schottenloher: Zentralblatt für Bibliothekswesen 32 (1915), 256 Nr. 6; Hammer Nr. 4 (mit Nachtrag). ‒ MBW.T 1.
Datierung:
Datum: Schottenloher setzt den Druck ohne Begründung Ende 1519 an. Der Brief des C. dürfte aber nicht allzu lange nach MBW 59 verfaßt sein; die Defensio (⇨ 62) scheint in § 3 nicht vorausgesetzt, anscheinend aber in § 6.

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