Erasmus von Rotterdam an M. [in Wittenberg]. - Basel, 10. Dezember 1524

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[1] Kritik an Leuten, die unter dem Vorwand des Evangeliums Unruhe stiften, E. angreifen und dabei dem Evangelium schaden, auch Luther nur soweit folgen, wie es ihnen gefällt. Die radikalen Parteigänger sowohl des Papstes wie Luthers schaden diesen selbst am meisten. E. vertritt die Sache des Evangeliums.

[2] M. sollte seine Begabung für die [humanistischen] Wissenschaften einsetzen. An Luther mißfällt E. vor allem seine Neigung zur Übertreibung. E. möchte die nötige Reform im Einklang mit Päpsten und Regenten durchführen.

[3] Er versuchte vergeblich, Hedio, Oekolampad und Pellikan mit Kardinal [Lorenzo] Campeggio in Verbindung zu bringen. Auch [Papst] Clemens hält er für aufgeschlossen. E.s Vorstellungen von einer gemäßigten Reform.

[4] Luthers Lehren durften, auch wenn sie wahr sind, mit Rücksicht auf ihre Wirkungen nicht ungeschützt verbreitet werden.

[5] E.s Verhältnis zu Luther und M.

[6] Karlstadts Abendmahlsschriften erregten in Bern Unruhen und brachten seine Basler Drucker [Thomas Wolff und Johannes Bebel] ins Gefängnis.

[7] [Hermann von dem] Busche wurde zu Unrecht verdächtigt, mit [Erasmus] Alber [⇨ 339] identisch zu sein.

[8] Den Oekolampad schätzt E., obwohl er von ihm angegriffen wird, insbesondere wegen der Willensfreiheit.

[9] Luthers Antwort hierüber soll von M. nicht beeinflußt werden. Die Spitzen in des E. Diatriba [⇨ 343.1] sind jedoch gegen Farel und Genossen gerichtet, einiges auch gegen Luthers Assertio [WA 7, 91-151]. E. möchte Luthers bittere Arznei zum Heile der Kirche verwenden.

[10] Gegen den von Basler Radikalen erhobenen Vorwurf der Wankelmütigkeit verweist E. auf die Unterschiede zwischen Luther, Oekolampads bei [Franz von] Sickingen verfaßten Messe-Traktat [E. Staehelin, Briefe und Akten zum Leben Oekolampads 1 (1927), 181-191 Nr. 128], Zwinglis Bildersturm, Straßburger Bildungsfeindlichkeit, Karlstadt.

[11] An M.s Aufrichtigkeit zweifelt E. nicht, hat aber gegen Luther erhebliche Bedenken.

[12] Der alte E. in den Stürmen seiner Zeit.

[13] E. vertraut M., doch nicht den Briefboten. Trauer um [Wilhelm] Nesen. In England hat E. treuere Freunde als in Deutschland. Die Reden des Demosthenes und Aischines kann M. selbst übersetzen [CR 17, 801-864 und 881-938].

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Fundort:
CR 1, 688-694 Nr. 302 mit 3, 1282; Allen 5, 593-599 Nr. 1523; Suppl. 6/1, 266-268 Nr. 374. ‒ MBW.T 2.

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