M.: Gutachten. - [Wittenberg, Ende September/1. Hälfte Oktober 1540]

[1] Die Prediger [der Stadt] Braunschweig, die Hz. Heinrich von Braunschweig[-Wolfenbüttel] einen Brandstifter nannten, können sich — obwohl die Namensnennung hätte unterbleiben sollen — vor ordentlichen Gerichten verteidigen.

[2] Im Fall des [Konrad] Dellingshausen darf man ihn unter Bezugnahme auf die unwiderlegte Goslarer Darstellung als Mörder bezeichnen.

[3] Die Rechtslage.

[3.1] Digesten über Beschuldigung eines Schädlings: der Hz. hat die Anklage nicht widerlegt.

[3.2] Digesten über Leumund und Nachrede.

[3.3] Das Kirchenrecht über Aktivität der Bischöfe (d. i. Prediger) gegen Beschuldigte.

[4] Die Braunschweiger Prediger können dies vor Gerichten und beim Stadtrat geltend machen.

[5] M. rät aber, in Zukunft die namentliche Beschuldigung nicht Überführter zu unterlassen.

[6] Die Prediger können auch dem Rat die im Sachsenspiegel vorgesehene Geldstrafe anbieten.

Fundort:
CR 4, 649-652 Nr. 2370. ‒ MBW.T 9.
Datierung:
Datum: Die § 3.1 erwähnte Anklage des Hz. vor dem Kaiser wird von CR auf die von den Schmalkaldischen Bundeshauptleuten Kursachsen und Hessen auf dem Regensburger Reichstag im April 1541 eingebrachte Klage wegen der Brandstiftungen bezogen. Es ist aber wenig wahrscheinlich, daß nach dieser offiziellen Beschuldigung und so vielen Streitschriften die Braunschweiger Prediger noch mit einer Beleidigungsklage rechnen mußten, und es ist auch nicht verständlich, warum M. zu einer Zeit, da der Hz. als überführter Mordbrenner galt (so Luther an Hz. Albrecht von Preußen, 20. 4. 1541: WAB 10, 374.16-18), noch so umständlich argumentieren und am Ende einlenken mußte. Vielmehr dürfte dieses Gutachten in die Zeit gehören, als diese Beschuldigung noch neu und noch wenig Öffentlichkeitsarbeit geleistet war, so daß M. auf die Entführung und Haft mit Todesfolge des Goslarer Syndikus Dellingshausen zurückgreifen mußte, die durch die Goslarer Klage und Flugschrift allgemein bekannt war (vgl. WAB 8, 567 Anm. 2; Schottenloher 3, 143 Nr. 29767), aber eigentlich nicht zur Debatte stand. Die § 3.1 erwähnte Klage, auf die noch kein Urteil ergangen war, ist also die im Fall Dellingshausen erhobene. Das Urteil erging am 25. 10. 1540 (vgl. Schottenloher 3, 145 Nr. 29774a). Kurz vor dem 19. 9. 1540 las M. erstmals Beweise für die Urheberschaft des Wolfenbüttelers an den Brandstiftungen (⇨ 2503.3). Auch am 8. 10. 1540 erwähnt er sie (⇨ 2522.3). Luther berichtet am 10. Oktober dem Hz. von Preußen, daß der Hz. Heinrich von Braunschweig ein Erzmordbrenner gescholten wird (WAB 10, 242.25f mit Anm. 7). In dieser Zeit, jedenfalls vor M.s Abreise nach Worms (⇨ 2531) ist dieses Gutachten entstanden. Es war für die Braunschweiger Prediger und letztlich auch deren Stadtrat bestimmt. Da diese aber in der dritten Person genannt werden, wurde es entweder von einer Privatperson oder vom kursächsischen Hof angefordert.

Normdaten
Personen:

Albrecht von Preußen: http://d-nb.info/gnd/118637673

Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel: http://d-nb.info/gnd/119024918

Karl V., Kaiser: http://d-nb.info/gnd/118560093

Luther, Martin: http://d-nb.info/gnd/118575449

Melanchthon: http://d-nb.info/gnd/118580485