Bartholomäus Wolfart, Johannes Faberius von Burglengenfeld, Christoph Lasius von Lauingen, Jakob Rabus von Monheim, Sigismund Kindinger von Neuburg und Georg Staudner von Sulzbach an Hz. Wolfgang von Zweibrücken. Pr. Neuburg, 19. 9. 1559. - Neuburg/Donau, 18./19. [24.] September 1559

Gutachten über W.s Kirchenordnung [⇨ 9069.1].

[1.1] Gott hat stets eine Kirche auserwählt und dem Volk, in dem sich die Kirche befand, fromme und weise Herrscher gegeben.

[1.2] Nach dem Tod des Kf. Ottheinrich von der Pfalz hat Gott dem Fürstentum [Pfalz-]Neuburg W. als Nachfolger gegeben.

[1.3] Fürbitte.

[2] Vff., die Superintendenten des Fürstentums, wurden in die Kanzlei nach Neuburg bestellt, um über die Beibehaltung der bisherigen [⇨ 9069.2] oder Einführung der Zweibrücker [⇨ 9069.1] Kirchenordnung zu beraten. Diese wurde ihnen mit neuer Vorrede und Einführungsinstruktion zugestellt. Gutachten über Partikularschule, Konsistorien und Kirchengerichte werden ebenfalls gefordert.

[3] Die Kirchenordnung stammt größtenteils aus der mecklenburger [⇨ 9069.3] und ist in fünf Stücke geteilt: Lehre, Kirchenamt, Zeremonien, Schulen, Einkommen der Prediger und Lehrer.

[4] Zustimmung zu Punkt 1, 2, 4 und 5.

[5] Kritik an der Abendmahlsordnung von Punkt 3.

[5.1.1] Nach Gesang und Ermahnung des Priesters an das Volk knien Priester und Küster nieder, der Priester spricht eine offene Beichte, der Küster ein Gebet und der Priester die Absolution.

[5.1.2] Dies ist seit der Abschaffung des päpstlichen Kults, wo es als Confiteor zur Vorbereitung des abgöttischen Meßopfers diente, am Ort nicht, in evangelischen Kirchen nur im entlegenen Mecklenburg und Zweibrücken üblich und wird deshalb Ärgernis erregen [M. schrieb an den Rand: De publica confessione].

[5.1.3] Wegen der Unbildung und schändlichen Lebensweise der meisten Küster würde es ebenfalls Schaden stiften.

[5.1.4] Man soll allen bösen Schein meiden, und das Confiteor geht auf Papst Pontianus zurück [diese Begründung von M. gestrichen].

[5.2] Nach dem Confiteor werden lateinische und deutsche Gesänge, Lesung von Kollekte, Epistel und Evangelium, eine möglichst kurze Predigt, danach viele ortsunübliche lateinische und deutsche Gesänge vorgeschrieben. Da die wünschenswerte Einheitlichkeit der Lehre und Zeremonien in Kürze nicht zu erreichen ist, nehmen Vff. auch hierzu Stellung.

[5.2.1] Lateinische Gesänge sollen, wo üblich und nicht abgeschafft, bleiben,

[5.2.2] andernfalls als unnütz und schädlich nicht wieder eingeführt werden.

[5.2.2.1] Deren Wiedereinführung würde beim gemeinen Mann, den man zuvor belehrt hat, sie seien nicht notwendig, Ärgernis erregen und die Predigt abwerten.

[5.2.2.2] Gesänge und Lesungen beeinträchtigen die Predigt, die zudem auf eine Stunde begrenzt wird. Die Möglichkeiten der Schulen und Dorfpfarreien lassen die Wiedereinführung des lateinischen Gesangs nicht zu.

[5.2.2.3] Die alte Ermahnung vor der Kommunion soll nicht durch die neue ersetzt werden. Die dreimalige Wiederholung der Absolution (samstag abends in der Privatabsolution, im Confiteor und in der Ermahnung) ist anstößig [mit Unterstreichung M.s].

[5.2.2.4] Gegen Abschaffung der antizwinglischen Danksagung nach der Kommunion.

[5.2.2.5] Das Tragen des Chorrocks sollte als Adiaphoron freigestellt werden. Vielleicht schafft dereinst eine einheitliche Kirchenordnung Abhilfe.

[6.1] Vff. versichern ihre Ergebenheit. Der Widerspruch geschah nicht aus Widersetzlichkeit.

[6.2] W. soll sich der durch Sekten, Irrtümer und Widersacher bedrängten Kirche annehmen.

[6.3] Veränderungen sind gefährlich. Dies ist nach vier Veränderungen [von M. unterstrichen] in 16 Jahren die fünfte.

[6.4] Die Pfarrer werden sich sträuben.

[6.5] Etliche haben sich zuvor schon wegen Zeremonien vertreiben lassen.

[6.6] Diejenigen unter den Vff., die bereits an der kfl. Kirchenordnung mitwirkten und diese jetzt fahren ließen, würden als unbeständig gelten.

[6.7] Bitte, gemäß dem Gutachten zu handeln. Segenswunsch für W. samt Gemahlin [Anna] und Kindern [Christine, Philipp Ludwig, Johann, Anna, Elisabeth, Otto Heinrich, Friedrich, Barbara].

Fundort:
Abschrift mit einer eigenhändigen Randbemerkung, einer Streichung und Unterstreichungen M.s, datiert 18. September 1559: München HSA, Pfalz-Neuburg, Neuburger Abgabe 6267, f. 7r-17r (Kindinger: Schüttinger); Abschrift, datiert 19. September 1559: ebd., f. 19r-32r (Kindinger: Kitzinger); die von W. Hommaner (wie 9069), S. 38, abgedruckten angeblichen Randbemerkungen M.s stammen nicht von dessen Hand.
Datierung:
Datum: Beilage zu 9069.

Normdaten
Personen:

Anna, Lgfn. von Hessen, Hzn. von Pfalz-Zweibrücken: http://d-nb.info/gnd/132515393

Faberius, Johannes: http://d-nb.info/gnd/1140138391

Friedrich von Brandenburg: http://d-nb.info/gnd/130473774

Kindinger, Sigismund: http://d-nb.info/gnd/133720993

Lasius, Christoph: http://d-nb.info/gnd/119738988

Ottheinrich von der Pfalz: http://d-nb.info/gnd/118738712

Rabus, Jakob: http://d-nb.info/gnd/124431666

Staudner, Georg: http://d-nb.info/gnd/13932089X

Wolfart, Bartholomäus: http://d-nb.info/gnd/124694039

Wolfgang von Zweibrücken: http://d-nb.info/gnd/101953399