M.: Geheimes Gutachten für Eberhard von der Tann [in Rotenburg/Fulda]. Dt. - [Rotenburg/Fulda, 4. März 1540]
[1] Schöpfungsgemäß ist die untrennbare Einehe. Doch nach der Schwächung der menschlichen Natur durch Adams Fall hat Gott im Gesetz die Vielweiberei zugelassen.
[2] Im Neuen Bund ist sie durch weltliche Gesetze verboten und war im Abendland nie üblich.
[3] Christus hat sie aber nicht verboten. Also ist ein Dispens möglich.
[4] Denn weltliche Ordnungen des Alten Testaments dürfen im Neuen übernommen werden.
[5] Strikte verboten ist aber, daß eine Frau mehrere Männer hat.
[6] Christus wendet sich vornehmlich gegen die leichte Ehescheidungspraxis.
Fundort:
Bds. 135f Nr. 187.
‒ MBW.T 9.
Datierung:
Datum: Tann, der als Vertreter des Kf. Johann Friedrich von Sachsen an der Trauung des Lgf. Philipp mit Margarete von der Sale teilnehmen mußte, bekam unter dem Einfluß des Justus Menius Zweifel an der Erlaubtheit einer solchen Doppelehe, die aber am Vormittag des Hochzeitstages durch Bucer und M. ausgeräumt werden konnten (vgl. Rockwell 62-64). Da M. und Tann erst an diesem Tag zusammentrafen, ist die eigenhändige Niederschrift MBW 2385 mit großer Wahrscheinlichkeit am Vormittag des 4. März entstanden (Rockwell 68 Anm. 1). Clemens Hinweis WAB 9, 164f, daß § 5 auf Amsdorfs [ironische] Freigabe der Polygamie auch für Frauen (Rockwell 323-325) antworte, impliziert nicht eine spätere Datierung, denn abgesehen davon, daß jenes Gutachten ebenfalls undatiert ist, kann diese Konsequenz, durch welche die Doppelehe ad absurdum geführt werden sollte, auch von anderen und vorher gezogen worden sein.